Mein Mädchen hat mit drei Jahren begonnen sich alleine anzuziehen. Seither macht es ihr großen Spaß. Ganz anders die Jungen, die dazu keinerlei bis wenig Motivation verspüren. Oft endete das Anziehen in einem stressigen Machtkampf zwischen ungeduldiger Mama, die ihnen am Ende entnervt doch wieder schnell was überzog.
Denn die Zeit zu warten bis die beiden selbst in die Pötte kommen, fehlt morgens unter der Woche. Ich glaube ja, die Jungs wussten schon früh ganz genau, dass sie nur lange genug warten mussten, bis die Mama es dann schon für sie erledigte. Dafür beschwerten sie sich auch nie über die Auswahl der Kleider. Heute lege ich ihnen meistens etwas heraus, wenn es schnell gehen muss. Ich finde es aber total interessant zu schauen, was sie sich selbst aussuchen. So entdecke ich ihren ganz eigenen Geschmack.
Tipps von Maria Montessori
Bis Mama eines Tages Maria Montessori las und fand, es sei an der Zeit, die Kleiderschränke neu zu gestalten. Einer der Grundsätze der italienischen Pädagogin lautet: “Hilf mir es selbst zu tun!” Dieses Motto ist auf vielfache Weise nützlich in der Gestaltung des Alltags mit Kindern. Es gibt auch viele konkrete Tipps dazu. Dazu gehören kleines, handliches Geschirr, Besteck und Alltagsgegenstände, mit denen Kinderhände gut hantieren können. Auch der Umgang mit Messern, Scheren und so gar Werkzeugen kann so früh geübt werden.
In meinem Montessori-Buch las ich die Idee, den Kindern die Kleider im Schrank so herzurichten, dass alleine anziehen auch wirklich ganz allein möglich ist. Denn was macht mehr Spaß als sich die Klamotten selbst auszusuchen? Für die Tochter war diese Umräumaktion dringend nötig. Denn sie hatte mit dem alleine anziehen ja schon begonnen und überraschte mich jeden Morgen mit viel Freude mit neuen Kombinationen.
Kleiderschrank-Gespräche
Anfangs regte es mich manchmal auf, denn es kamen Kombis vor, die ich insgeheim einfach schauderhaft fand. Außerdem passten sie oft schlichtweg nicht zum Wetter. Wenn ich nun anfing sie mit logischen Argumenten zum Umziehen zu bewegen, stieß ich auf Unwillen und oft gab es dann Tränen. Also beharrte ich nicht mehr auf meine Vorstellungen. Das fiel mir wirklich nicht leicht. Ich tröstete mich damit, dass ein bisschen Schwitzen nicht wirklich schlimm ist und bei zu luftigen Outfits nahm ich einfach zusätzliche Kleidung mit in die Kita und später den Kindergarten.
Außerdem begann ich mit meiner Tochter über Farben und Muster zu reden. Ich zeigte ihr manchmal beim Wäsche einräumen was ich schön finde. Und sie führte mir ihre Favoriten vor. Ich liebe z.B. die Farbkombination rosa und rot, was ja manche ganz schrecklich finden. Das sagte ich ihr auch. Nebenbei erklärte ich ihr noch, dass man über Jeanshosen normalerweise keine Rüschenröcke trage. Zu Röcken gehörten Leggings bei kühlerem Wetter. Strumpfhosen eignen sich nicht gut mit kurzen Shirts, da am Hintern die komischen Streifen dann nicht überdeckt würden. Leuchtete dem kleinen Fräulein sofort ein. Am Hintern habe sie sich ja nicht sehen können – was mir wiederum einleuchtet.
So erörtern wir bis heute in netten Kleiderschrank-Gesprächen Sitten und Trends. Mittlerweile weiß sie auch, dass Unterhemden gut sind, weil sie wärmen, aber ihre Lieblingsmotive auf den T-shirts nicht verdecken. Ebenso haben wir uns darauf geeinigt, das T-Shirts über Longsleeves getragen werden können: Denn manchmal sind die Bilder auf den T-Shirts einfach die schönsten.
Damit alleine Anziehen gelingt
Im alten Haus hatten die Kinder ihre Anziehsachen in kleinen Kommoden. Es gab viele Klapptüren und Schubladen, die ich mit Klebeetiketten versah. Eigentlich habe ich das zuerst für meinen Mann getan. Denn der wusste nie, in welchem Schuber jetzt Socken, Unterwäsche oder Pullover waren. Die ganzen Kleider und die Anzieherei waren für ihn das einzig wirklich schwierige, als ich anfing wochenweise ins Büro in der Großstadt zu fahren. Wir begannen mit diesen Mama-Außer-Haus-Zeiten, als die Kinder 2 Jahre alt waren. Mehr zu unserem Rollentausch gibt es hier nachzulesen.
Nach der Lektüre von Maria Montessori malte ich zu den Worten also kleine Bilder auf die Etiketten dazu. So wusste bald die ganze Familie, wo was lag.
Seit dem Umzug haben wir größere Regale und Schränke. Auch hier habe ich beim Einräumen darauf geachtet, dass die Kinderkleidung in den unteren Fächern liegt, sodass sich die Kinder sie selbst überblicken und raus holen können. Der Nachteil vom alleine Anziehen ist bloß, dass ich in regelmäßigen Abständen die Wäsche wieder neu falten muss. Denn die Stapel kippen gern um, wenn Kind eines der unteren Shirts herausholt. Für die Unterwäsche und Socken haben wir auch wieder Schubladen oder praktische Schachteln, die im relativ großen und tiefen Schrank der Tochter gleichzeitig als Raumtrenner fungieren.
Beim fast sechsjährigen Buben, der sich bis heute nicht besonders gern anzieht, bringe ich auch wieder neue Klebeetiketten an. Ich habe bemerkt, dass er nicht wirklich gut erkennt, auf welchem Stapel jetzt lange Hosen und kurze sind – dasselbe bei den Shirts. Vielleicht hat er deswegen nicht so viel Lust? Aufgefallen ist mir auch, dass er sich mit Vorliebe T-Shirts in leuchtenden Farben herauszieht. Erkenne ich hier einfach seine Vorlieben oder mag er genau diese Kleider so gerne alleine anziehen, weil er sie wieder erkennt?
Mit dem Wechsel der Jahreszeiten räume ich auch nochmal um und lege allen die jetzt notwendigen Kleider nach vorne. Und ganz wichtig: Kleider, die einfach nie angezogen werden, verschenke ich. Es gibt Teile, die ich toll finde, die aber aus mir unerfindlichen Gründen nie getragen werden. Vielleicht sind sie einfach unbequem?
Die feinen Kleider, die wir für besondere Anlässe aufheben, sind in einem anderen Schrank aufgehängt. Bei allen Kindern ist das so. Den Jungs ist das einerlei. Die liebe Tochter aber weiß, dass sich dort die besonders hübschen Kleidchen befinden. Manchmal möchte sie auch werktags lieber hier auswählen. Daher habe ich ein paar Kindergartenkleider dazu gehängt, auf die wir uns dann meistens einigen können.
Lustigerweise legt ihr Zwillingsbruder plötzlich auch Wert auf schicke Kleidung, wenn er sieht wie sich seine Schwester schön macht: Wie lieb, wenn sie da stehen und sich gegenseitig fragen: Bin ich schön?
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