Heute ist der zweite Schultag, wie mein Sohn sagt, der erste richtige Schul-Lern-Tag. “Denn gestern haben wir uns ja nur Hallo gesagt!”, meinte er gerade. Jetzt sitzen auch die Zwillinge auf den kleinen Schulstühlen hinter ihren Pulten. Und die Mama macht sich Sorgen, weil das Mädchen nur um’s Eck noch einen Platz neben ihrer gerade neu kennen gelernten Herzensfreundin sitzt und der Platz direkt neben ihr noch leer war. Warum sorgst Du dich denn, Mama? Dein Kind schafft das alleine. Und wenn ein fremdes Kind sich neben sie setzen wird, lernt sie jemand kennen und findet vielleicht einen neuen Freund. Indem du dauernd sagst, dass sie schüchtern ist, wird sie es umso mehr.
Gib Deinen Kindern Raum
Wie wunderbar das ist, dass nun alle meine Kinder in die Schule gehen und so nette Lehrerinnen und Mitschüler haben. Es ist alles gut. In der Klasse sind viele Kinder, die bei uns hier in der Nähe wohnen. Und dennoch fühle ich mich unruhig und ich versuche dauernd den Kindern den Weg zu ebnen, ihnen optimale Bedingungen zu schaffen. Doch ist das wirklich notwendig? Stört das nicht mehr als das es den Kindern hilft?
Dabei ist es so wichtig, den jungen Menschen Raum zu geben, sie nicht dauernd zu bemuttern und eigenmächtig zu entscheiden, was für sie am besten ist. Sie können das prima selbst. Die Kinder loslassen lernen, fällt mir nicht so ganz leicht wie ich immer dachte.
Gib ihnen die Chance eigene Erfahrungen zu machen
Die Kinder loslassen lernen heißt auch, sie mal auf die Nase fallen zu lassen. Im Leben eines jeden Menschen gibt es schöne und nicht so schöne Erfahrungen. Ich kann meine Kinder nicht davor bewahren. Ich kann nur versuchen, ihnen das Rüstzeug mitzugeben, dass sie mit Kummer umgehen lernen. Und ich kann ihnen helfen, dass sie Lösungen finden für die kleinen und die großen Probleme und nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Außerdem möchte ich einen guten Kontakt zu ihnen behalten, auch wenn sie größer werden.
Ich wünsche mir, dass dies gelingt und sie mir noch viele Jahre erzählen, was sie auf dem Herzen haben. Und ich freue mich, wenn sie von der Schule heimkommen und mir voller Freude berichten, was heute so los war. Wie schön ist es doch, im Lauf eines Schuljahres mitzuerleben, welch enorme Fortschritte sie machen.
Gib den Kindern, was ihnen wirklich gut tut
Liebe ist das A und O, das ist wohl klar. Doch die Kinder brauchen mehr als nur die Liebe ihrer Mutter. Unser Großer hat z.B. gerade eine Reiterwoche hinter sich, die ihn wirklich sehr glücklich gemacht hat. Das ist ein ganz besonderer Reiterhof, auf dem auch heilpädagogisch gearbeitet wird. Die Reitlehrerin hat mir gesagt, dass sie in Sachen Grob- und Feinmotorik bei unserem Sohn Förderbedarf sehe. Ich weiß, dass er oft mit seiner vielen Kraft nicht weiß wohin und eine Umarmung von ihm kann dich im wahrsten Sinne des Wortes umhauen. Das Gespür für die eigene Kraft und ein Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln ist sehr wichtig.
Da seine Grundschullehrerinnen ganz zufrieden mit seinen Fortschritten im ersten Jahr waren, dachte ich: Passt schon alles, das wächst sich von alleine aus. Doch als ich hörte, dass er selbst es oft gar nicht bemerkte, wie schief er auf dem Pferd sitzt, kam ich ins Grübeln. Nur weil ich will, dass sich alles von alleine regelt, heißt das nicht, das es der beste Weg ist. Wenn ihm ein wöchentliches heilpädagogisches Reiten helfen würde, seinen Körper und seine Kraft besser zu spüren und einzusetzen: in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Umgang mit anderen Kindern, beim Kuscheln und beim Turnen. Ich spürte in diesem Moment, dass der Umgang mit den Pferden, das Reiten ihm gut tut, das Richtige ist für ihn. Daher bereitete ich alles dafür vor, indem ich auf Biegen und Brechen versuchte, auch diesen Termin noch in unsere ohnehin straff organisierte Woche einzubauen.
Wieder einmal war ich zu schnell
Es ist nicht immer gut, sofort auf Kommentare und Meinungen von außen zu reagieren. Die Eltern sind es doch, die ihre Kinder am besten kennen. Zum Glück sind wir als Eltern zu zweit und können auch aufeinander hören, uns besprechen. Und siehe da. Nicht eingreifen hat sich auch hier wieder einmal bewährt. Wie sich nach einigen Wochen herausstellte, war diese obendrein sehr teure halbe Stunde so schwierig in unseren Familienalltag zu integrieren, dass sie die gesamte Harmonie zerriss – nicht zuletzt aufgrund seltsamer Bestimmungen der Betreiber: Niemand außer den Kursteilnehmern durfte den Hof betreten und nach der halben Stunde war Schluss; kein Ausmisten, kein Striegeln, kein Streicheln außerhalb dieses Rahmens.
Und wieder erwies es sich als richtige Entscheidung, nichts oder wenig zu unternehmen. Wir sagten alles wieder ab – und das fühlte sich gut an. Heute gehen wir immer, wenn es uns am Wochenende möglich ist, alle fünf zusammen auf einen etwas weiter entfernten Ponyhof zum Reiten. Gemeinsame Familienzeit ist einfach so wichtig für die kindliche Entwicklung.
Kinder loslassen lernen, bedeutet für mich…
Diese Erfahrung hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, nicht immer sofort einzugreifen. Ich will, dass meine Kinder selbst herausfinden, was ihnen Spaß macht. Daher macht es mir nichts aus, dass die eine nach einem halben Jahr keinen Bock mehr auf Ballett hat und der andere nach zwei Tennisstunden findet, das ist nichts für ihn. (Obwohl er viele Monate davon geschwärmt hat). Jetzt spielt er Fußball und ist glücklich. Ich wollte nie eine Fußballmama sein und habe ihm erklärt, dass ich nicht bei jedem Turnier dabei sein kann. Mal gucken, was überhaupt daraus wird.
Ich habe auch aufgehört, meine Kinder mit Zuviel zu überfordern. Es wird ohnehin dauernd von allein wieder zuviel. Da es ständig irgendwelche Angebote, Verabredungen und neuen Input von außen gibt. Und obendrein haben sie auch noch eine Mama, die sehr reiselustig ist und am liebsten dauernd schöne Orte besucht.
Kinder loslassen lernen, bedeutet für mich auch, ihnen eine Hand zu reichen. Wenn sie meine Hand annehmen möchten, freue ich mich daher. Wenn sie alleine über die Steine hüpfen möchten, dürfen sie es. An die Schrammen und Kratzer, blauen Flecken und Beulen haben wir uns gewöhnt. Es gibt zum Glück ja Beinwell und Arnika!
Liebe Grüße von einer sehr nachdenklichen – aber stolzen – dreifachen Schulkind-Mama
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