An Tagen wie diesen zweifele ich manchmal an allem. Wie ist das möglich? Wie ist es überhaupt wahrscheinlich an Tagen wie diesen zu überleben? Nicht einfach still und leise wie ein alter Röhrenschirm zu implodieren, seine Sporen im Weltall zu verteilen und aufzubrechen ins Nichts endloser Galaxien?
Aufgerieben im Strudel des Alltäglichen
Nichts ist wie es sein soll. An Tagen wie diesen weiß ich nicht wie ich diesen Alltag schaffen soll. Sonntag im FReibad haben diese Gliederschmerzen begonnen, Montag lag ich flach. Dienstag haben wir mal so getan als wäre nichts und alles erledigt, so gut es eben ging. Und dann kommt die Quittung, postwendend.
Die Quittung kommt mit unabwendbarer Gewissheit. Wie ein Bumerang wummert es in meinem Kopf. Es ist vier Uhr morgens. Eine Hustenattacke verätzt meine entzündete Halsschleimhaut. Es hört nicht auf. Ich gehe gurgeln. Dann legen die Vögel vor dem Fenster mit ihrem alltäglichen Wahnsinns- Song-Contest los. Sie lobpreisen die Dämmerstunde, den Sonnenaufgang, den neuen Tag.
Ich lobpreise gar nichts. Ich will, dass die Welt einfach mal die Schnauze hält. Fenster zu nützt nichts. In einer Großfamilie, in der alle in ihren Zimmern auf einer Etage schlafen hörst du Schnaufen, Röcheln, Schnarchen, Traumfetzen, verträumte Lacher.
An Tagen wie diesen kannst Du eben nicht mehr einschlafen. Um 5.30 stehe ich auf, räume ein bisschen auf, denn in den letzten Tagen ist allerhand liegen geblieben. Alltag mit krank eben, Mama krank. Der Mann kommt bald darauf, muss los.
Die Kinder kommen, müssen los, füttert bitte noch die Katze.
Mama erinnert sich an ihren Zahnarzttermin, den sie vor drei Monaten im Kalender eingetragen hat und macht sich fertig, sehnsüchtig auf das Bett blickend.
Ich schlappe zum Bus, Radfahren ist mir zu anstrengend. Es ist Bombenwetter, aber es nützt mir nichts, ich brauche einen Schal wegen dem Halsweh. Da kommt ein Bus, ich nehme ihn, in der festen ÜBerzeugung der passe. Der Zahnarzt ist neu, ich war noch nie dort. Dann merke ich, dass der Bus ins Zentrum fährt, alnders als ich dachte. Ich steige aus und nehme einen anderen. Ersinne Plan B, wie ich meine, da hinzukommen. Den Zettel mit der Adresse und der Verbindung liegt auf dem Schreibtisch.
An Tagen wie diesen ist das besser
Während ich in die Tram umsteige, rufe ich beim Zahnarzt an. An Tagen wie diesen ist das besser. Die nette Frau kann keinen Termin finden. Kam mir eh schon komisch vor, dass die mittwochs erst ab 12 Sprechstunde haben. Es war gestern!
Weil ich Mama bin, darf ich mich zum Dreifach-Termin meiner Kinder übernächste Woche dazuquetschen anstatt wieder drei Wochen zu warten. Sehr freundlich die Dame. Da fährt der Bus nach Hause ein. Ich stehe noch auf dem anderen Steig, wo ich aus der Tram ausgestiegen bin. Ich winke und der Bus fährt weiter.
Da treten mir Tränen in die Augen. Dann eben nicht, denke ich trotzig. Welt, du kannst mich mal, ich schau mir die Blumen im Stadtpark an. Nach ein paar Schritten merke ich, dass ich keine Kraft für einen Spaziergang habe. Ich sollte im Bett liegen.
Ich nehme beim Türken noch Zuckermelonen, Marillen, Radi, Betola, Tomaten, Kartoffelsack aus Bayern und so arabisches Brot mit. Die Frau sieht mich ein bisschen irre an, als ich sage, dass ich keine Plastiktüten will und ihr die Früchte einzelnen auf die Kasse packe. Die Tomaten kullern überall hin. Habe leider keine Stoffsäckchen mit und verpacke alles sorgsam.
Dann schleppe ich mich wieder zum Bus. Innen drin ist Klimaanlage – nicht gut für Halsweh. Als ich endlich wieder daheim bin, mache ich etwas blödes. Anstatt mich hinzlegen packe ich in einen Online-Warenkorb Schuhe für fast 1000 Euro. Der Mensch muss probieren, gerade bei Schuhen. Als ich eine österreichische Adresse an der Kasse eingebe, ist plötzlich keine Zahlung mehr auf Rechnung möglich. Auf eine deutsche Adresse geht auch nicht mehr.
Also lösche ich alles und will ins Bett gehen. Da kommen aber die Kinder von der schule. Stimmt ja. Ich setze Kartoffeln auf, gehe in den Garten, pflücke Kräuter. Schaue hier, jäte da, pflücke dort. Als ich wieder in die Küche komme, ist leider der Boden des Topfes eingebrannt. Die Kartoffeln kann ich aber noch retten, da ich einen Dämpfer benutze.
Wenn die Kinder sich um die Mama kümmern
Die Kinder haben wenig bis keinen Hunger. Es ist zu heiß. Der Kräuterquark und das Kräuterhummus mit Sauerrahm schmecken aber gut. Dann gibt es für mich wieder Kräutertee und ich lege mich schlafen. Die Kinder spielen mit Wasser im Garten und dann Computer. Mein Wecker klingelt um 10 vor 3, damit ich das Trompetenkind mit Sonnencreme einschmieren kann, bevor es losradelt. Es ist ganz stolz, denn heute hat es seine Fahrradprüfung geschafft. Nach der Trompete radelt es ins Freibad, da es dort Schwimmunterricht hat. Unser Aktivkind muss aber den Rucksack tauschen. WEgen geänderter Trainingszeiten im Frei- statt Hallenbad kommt es eh schon zu spät. Zum Glück habei ch die besten Kinder der Welt, die mich unterstützen, wenn ich im Bett liege.
Die Tochter bringt zur Kreuzung den Schwimmrucksack und tauscht ihn gegen die Trompete. Zum Glück muss ich heute nirgends mehr hin, nichts mehr machen. Der Gitarrenlehrer hat abgesagt und die Tochter hat selbst zuviel Husten für Flöte. Alle sind ein bisschen ageschlagen. Wir spielen im Bett und die Kinder machen Hausi.
Meine Stimme ist fast weg. An Tagen wie diesen ist das auch schon egal. Wir spielen Mühle und Mensch-ärgere-dich-nicht. Wann haben wir da schon mal Zeit zu? Nur an Tagen wie diesen mit gecanceltem Programm. Mittwochs ist normal der Musiktag.
Dann essen wir die Früchte. Ein Kind hat Verstopfung und verwüstet die Küche, da es sich allein einen Smoothie mit viel Äpfeln zubereitet. Aber immerhin hat es sich ganz allein verpflegt. Ich schaffe es noch die verwüstete Küche in die Spülmaschine zu stapeln und drücke den Startknopf. Nach dem Tischabwischen und Teekochen verschwinde ich in mein Bett. Den Kindern fällt noch ein, dass sie alle baden wolen. Dann merken sie, dass sie für die Sachkundeprüfung morgen zwar sich gegenseitig abgefragt haben, dass das aber ohne Heft nicht so lückendeckend funktioniert.
Deshalb gucken sie noch ein bisschen ins Heft und ich rate ihnen flüsternd sich morgen alle wichtigen Daten noch auf einen zettel zu schreiben. Spicker wegen fotografischem Gedächtnis und so hat mir immer geholfen, auch wenn man ihn dann gar nicht benutzt hat, den Spicker.
Verdammter Husten
Ich will früh schlafen. Immer, wenn ich das Licht ausmache, muss ich husten. Mein Hals tut richtig weh. Ich suche, ob ich noch mehr Medizin dagegen habe, finde aber nichts. Dann erinnere ich mich an die Globuli, die ich den Kindern früher bei Husten gegeben habe. Ich nehme 4 Hustenmittel, die passen könnten im Wechsel. Draußen prasselt regen. Ein schlaftrunkenes Kind kommt um Mitternacht. Es ist kaum ansprechbar und ich überlege mir wie es wäre, wenn es gerade schlafwandeln würde. Ich lade es ein, bei mir zu schlafen. Nach ein paar weiteren Romanseiten schlafe ich tatsächlich ein.
An Tagen wie diesen ist es gut, dass es #WMDEDGT bei Frau Brüllen gibt.