Lieben ist identitätsbildend. Liebe ist Freiheit, liebend du selbst sein. Zum Thema Lieben gehört für mich untrennbar die freie Wahl von Partner*innen – geschlechtsunabhängig. Zum Lieben gehört Freiheit und Selbstentfaltung, Vertrauen und Unsicherheit.
Die schottische Glaziologin und Uniprofessorin Lindsey Nicholson lebt seit 2010 in Tirol und begleitet mit Girls* on Ice Austria junge Mädchen* in die Selbstermächtigung. Das gelingt mittels einer Kombi aus Bergsport, Wissenschaft und Kunst. Ein befreiendes, identitätsstiftendes Programm im geschützten FLINTA-Raum.
Selbstvertrauen am Gletscher
“Seit ich meine wissenschaftliche Karriere begonnen habe, hat sich zwar schon viel geändert in Bezug auf Gleichberechtigung. Bei den Führungspositionen sind jedoch noch Fortschritte zu erzielen. Wir veranstalten mit Girls* on Ice Austria Gletschertouren mit Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren, um ihnen Leadership Skills und Selbstvertrauen mitzugeben. Es gibt in der Wissenschaft, aber auch im Bergsport sehr wenige Frauen.
Für mich ist es ungewohnt, ein Beispiel für junge Frauen zu sein, damit sie die Weichen anders stellen können und ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Doch ich hatte das Privileg Forschungsteams zu Gletschern im nepalesischen Himalaya, Norwegen, im arktischen Kanada, Spitzbergen, Alaska, in den USA, in die chilenischen und peruanischen Anden sowie in die Berge Ostafrikas zu führen.
Bevor ich den Ableger von Inspiring Girls Expeditions 2020 gründete, war ich skeptisch, ob es wirklich notwendig ist, eine Gruppe nur für Frauen zu haben. Die NGO ist komplett von FLINTA-Leuten geleitet und ich muss sagen, es ist anders. Ich möchte nicht sagen, dass es besser ist, aber es ist anders wie wir als Gruppe zusammenarbeiten. Die Kommunikation untereinander ist wertschätzend, direkt und unterstützend.
Besondere Erfahrung für FLINTA
Wir hören immer wieder von den Teilnehmer*innen, dass es eine besondere Erfahrung ist unter Frauen* zu sein und die Zeit komplett ohne Handy zu verbringen.
Die elf gemeinsamen Tage teilt sich auf in künstlerische Aktivitäten, wissenschaftliche Versuche und Berg-Knowhow. Die Gruppe lernt sich als Seilschaft in eine Gletscherspalte abzuseilen und planen zusammen eine Gipfeltour. Wir Leiter*innen und unsere Bergführerin halten uns dabei bewusst im Hintergrund, stellen höchstens ein paar zielführende Fragen, damit die Teilnehmer*innen selbst auf die Lösung kommen.
Viele aus der Gruppe haben selbst nie wild gezeltet. Es ist eine besondere Erfahrung. Was die Kreativität und die wissenschaftlichen Experimente betrifft, haben einige ein geringes Selbstwertgefühl. Wir wollen negative Selbstbilder aufbrechen. Unser Ansatz heißt Erfahrungsbasiertes Lernen. Keine muss Angst haben zu versagen. Experimente misslingen auch mal.
Keine muss Angst haben zu versagen
Die Einschätzung, die viele Mädchen von sich haben, nicht gut genug für Naturwissenschaften zu sein, befördert die gesellschaftliche Trennung von Kunst und Wissenschaft. In beiden Disziplinen ist exaktes Beobachten elementar. Früher waren Wissenschaftler*innen oft auch Künstler*innen und umgekehrt. Mit diesen zwei Fächern haben wir ein größeres Spektrum an Interessen und Kompetenzen. Wir können zusammenarbeiten, voneinander lernen und uns gegenseitig etwas beibringen.
Ich habe im Jänner an der Angewandte meinen M.A. In Art & Science abgeschlossen. Damit habe ich mir einen Traum erfüllt, der mich seit meinen Jugendjahren in Schottland nicht losgelassen hat.
Meine künstlerische Praxis gibt mir einen anderen Blick, hilft mir Grundsätzliches in Frage zu stellen. Das bringt mein wissenschaftliches Forschen voran. Ich fühle mich als Forscherin mehr in Kontakt mit der Gesellschaft, komme raus aus der Welt der reinen Zahlen und Daten.
Es ist auch die Aufgabe der Wissenschaft, unseren Wissenstand zu kommunizieren. Auch wenn das oft ein schlechter Job ist. Ich wünschte, ich hätte da eine andere Geschichte zu erzählen. Denn die Zukunft der Gletscher Österreichs sieht nicht gut aus. Auf der Suche nach passenden Gletschern für die Expedition bin ich selbst erschrocken wie wenig von den Gletschern eigentlich noch übrig ist. Die Gletscher werden weitestgehend verschwinden, und zwar in naher Zukunft. Das wollen die Leute nicht hören. Dieses Wissen ist nicht gut fürs Marketing, klar, aber es wäre gut, weniger gehemmt darüber zu sprechen – auch im Hinblick auf Strategien.”
Das Gesprächprotokoll wurde im 20er – Der Tiroler Straßenzeitung Anfang Dezember 2024 veröffentlicht.
Girls* on Ice Austria ist offen für Kooperationen, Unterstützung, Anregungen. Die Anmeldung für die Gletschexpedition für Mädchen* zwischen 15 und 17 JAhren ist für 2025 von Mitte Dezember bis Ende Februar möglich.
Liebe von Veronika Fischer
Viele, viele spannende, packende, erhellende, akribisch recherchierte Bücher habe ich in den letzten Wochen für meinen Karmakalender, dieses Jahr zu Frauensolidarität und feministischen Autor*innen, gelesen.
Heute ist „Liebe“ von Veronika Fischer aus der Reihe Übermorgen von Kremayr-Scheriau dran.
Diese Reihe bietet vielfältige Essays unterschiedlicher Autor*innen zu Fragen, die wir uns nicht erst seit gestern stellen: Wie leben wir heute, und wie wollen wir es in Zukunft tun?
Fischer hat dazu ihre unveröffentlichte Doktorarbeit umgeschrieben und ordnet die Liebe ein als Idee und Ideal, als Aktion und Handlungsfeld, als Erotik oder als Institution, an Personen gebunden, als Utopie oder als persönliche Realität und multiple Wahrheit des Individuums ein. „Der Dalai Lama hat ganz andere Dinge über die Liebe gehört und gelernt als Michelle Obama.“
Um all diese soziolulturellen, philosophischen und historischen Begrifflichkeiten und gesellschaftlichen Vorstellungen zu diskutieren holt sie weit aus und schlägt den Bogen von Shakespeare, Stendhal und Ortega y Gasset über Sartre bishin zur feminstischen Comiczeichnerin Liv Strömquist und Dr. Emilia Roig, Expertin für Intersektionalität, Vielfalt, Gleichberechtigung, Inklusion und Antidiskriminierung, die sich für soziale Gerechtigkeit in Deutschland und Europaweit einsetzt.
Nach der, angesichts der vielen Denker* innen, die bereits über die Liebe Gewichtiges zu schreiben hatten, angenehm leichten Lektüre, weiß ich wieder warum es sich lohnt zu lieben und bin mir über vieles ein wenig vewusster.
Im Februar erscheint mit “Female Working” ein neues wichtiges Buch der Autorin Veronika Fischer über weibliche Qualitäten im Business.
Lebensfreude, Stolz und Pride: LGBTQ+ und diverse Geschlechtsidentitäten
Auch das Buch Pride ist in der Reihe „über morgen“ von Kremayr&Scheriau erschienen.
Wie der Titel schon verrät, erfährst du alles über LGBTQ+ und diverse Geschlechtsidentitäten.
In einfacher Sprache und gut verständlich geht der Politikwissenschaftler Michael Hunklinger auf Klischees und Ausgrenzung ein, der Frage nach, was eigentlich Pride ist und erzählt die Geschichte von Diversität und Gleichstellung. Nicht zuletzt macht der Autor Michael Hunklinger deutlich, warum es für uns alle notwendig ist, erkämpfte Rechte zu verteidigen. Für mehr Toleranz und Verständnis, Solidarität mit Minderheiten.
Chaos von Yassemin Sophia Boussaoud
Das Buch Chaos hatte auf mich eine ebenso beruhigende Wirkung wie mein Kater. Und es hat mich berührt. Yassamin-Sophia Boussaoud aka @minoandtheirchaos schreibt sich von der Seele wie entsetzlich verloren eine Kindheit und Jugend auf dem Land sein kann – wenn du anders bist oder fühlst, nicht den äußerlichen Normen entsprichst. Es gibt auch gute Spuren in dieser harten Zeit, doch wie schaffen es ein paar Lichtstrahlen soviel Dunkel zu durchdringen. Ihre Gedichte, die sich mit essayistischen Erzählungen und Tagebuchstil abwechseln, machen mich am traurigsten, wenn „Kummer die Freude umarmt“.
Der Weg aus dem Chaos heraus wird erzählt, Fragmente eines Auf und Ab, ein Freikämpfen aus toxischen Beziehungen, sich ein Leben erarbeiten, selbst gestalten – trotz aller Ablehnung, Rassismus, Ignoranz und viel Hass im Außen. eine Geschichte hin zu Selbstermächtigung und Selbständigkeit, Mutterschaft als Empowerment und Absage an jede Art der Selbstoptimierung.
Die beruhigende Botschaft: Du bist gut wie du bist, du darfst auch Gefühle wie Trauer, Wut, Mutlosigkeit, Bitterkeit, Verzweiflung fühlen. du genügst und musst nicht Normen entsprechen um geliebt zu werden.
Da ich sowohl in Bayern Land als auch in München viele Jahre mit Afrikaner*innen und ihren kindern geliebt, gelebt und getanzt, so manches mal auch mitgelitten und gekämpft habe, hat das Buch mich auf einer gesellschaftlichen Ebene abgeholt, die leider fast immer im Verborgenen bleibt.
Das Buch CHAOS ist beim Haymon Verlag erschienen.
Alles dazwischen, darüber hinaus von Mae Schwinghammer
Ebenfalls bei Haymon hat Sprachkunst-Studierende Maë Schwinghammer den Debütroman veröffentlicht.
Lest den Roman.
Die Geschichte ist traurig, aber sie packt dich. Mit ihrer wunderbaren Sprache, bemüht um die richtigen Worte für das dazwischen zu finden. Bemüht klingt das aber ganz und gar nicht sonder watteflauschig gebettet. So als ob jemand nach einem langen Weg an ein Zauberbett kommt, sich hineinlegt, in tiefen Schlaf fällt, Alpträume quälen ihn und schließlich wacht er auf in dem Ich, das Darüberhinaus heißt.
Während dem lesen ist mir klar geworden, was für eine immense Rolle Solidarität spielt, um diesen Weg zu gehen. Support von Eltern, Geschwistern, Freund* innen.
Danke für deine klare, edle wie schlichte Sprache Maë Schwinghammer – schreib weiter.
Foto oben: Unsplash