Meine Hood oder mein Dorf und ich
Wenn ich meinen Sohn in den Kindergarten bringe, muss ich einmal quer durch den Kiez. Ne, Spaß. Wenn ich meinen Sohn in den Kindergarten bringe, und es ist einer der seltenen Tage, an denen mir die vielen Steigungen nichts ausmachen und an denen es nicht regnet, dann fahre ich mit dem Fahrrad durch unser wunderschönes Dorf.
Zuerst kommen wir durchs Sägewerk. Das ist für kleine Kinder eine Attraktion, aber nicht nur für die. Auch wir Großen staunen, wenn wir den Forwarder auf Schienen hin- und hergleiten sehen, geräuschlos fast, hörbar nur das Poltern der ganzen Stämme, die er hin- und herwirft. Jeden Werktag, von halb 7 bis 18 Uhr oder später gleitet der Riese hin und her, im Dunkeln ausgestattet mit hellen Scheinwerfern.
Wir fahren quer durch das Sägewerk, weichen den Seitenstaplern aus, den Schlange stehenden Lkw aus aller Welt und dem Radlader, der so riesengroß ist, dass er ein ganzes Wohnzimmer wegschieben könnte. Das macht er aber nicht, sondern er schaufelt täglich Berge von Sägespänen in Lkw hinein, die brummend und schnaufend damit talabwärts verschwinden.
Dann fahren wir an der Wiese mit den Kühen vorbei. Zwei Kühe sind es. Immer. Bis auf die wenigen Tage, an denen sie nicht zu sehen sind. Dann sagt mein Sohn: “Die Kühe sind im Stall”, und die Welt ist für ihn in Ordnung. Manchmal sehen wir weiter weg auch zwei Pferde.
Im Winter ist die Wiese überschwemmt. Sie kann Teil eines Flussbetts werden. Im Sommer macht die Familie Z. dort Heu, mit unterschiedlichen kleineren Maschinen und einer Heugabel.
Dann kommen wir an den Schweinen vorbei. Es sind ebenfalls zwei. Ich weiß gar nicht, zu wem sie gehören. Vielleicht gehören sie zu dem betreuten Wohnen, einem Haus mit stillen Bewohnern, die manchmal laut Musik hören, und die auch Enten, Hühner und Hasen besitzen. Die Schweine sind schonmal ausgebüxt. Auch die Pferde. Und auch die Ziegen, eine ganze Herde. Aber ich schweife ab.
Nach den Schweinen fahre ich einen Fußweg entlang, der eigentlich zu schmal ist für mein Fahrrad und komme zu den Gasthäusern. Es sind zwei, beide sind nicht mehr in Betrieb. Das eine ist ochsenblutrot gestrichen und steht in einem alten Obstgarten. Fast könnte es die Villa Kunterbunt sein, wenn darin nicht ein Paar seine alten Tage verlebte.
Zwischentöne im Leben mit Kindern im Schwarzwald
Das andere Gasthaus ist größer und hässlicher, bietet aber Potenzial für alles Mögliche, finde ich. Daher war es auch bei Immoscout so schnell weg, als Schnäppchen. Kurze Zeit später wurde das leerstehende Gebäude mit Benzin übergossen und angezündet, der Brand konnte aber so schnell gestoppt werden, dass man dem Gebäude von außen nichts ansieht.
Damals, an der Jahreswende 2015/16, Flüchtlingswelle und so, da hätte ich das mehr als fahrlässige Zündeln sofort in Richtung “rechte Gewalt” geschoben. Denn der alte Gasthof stand im Gespräch, ein Heim für Flüchtlinge zu werden, angeblich war der neue Besitzer dem nicht abgeneigt. Um herauszufinden, was der Grund für die (versuchte) Brandstiftung nun war, müsste ich vermutlich eine Sage schreiben. Eine Schwarzwaldsage, bei der sich alle gruseln, die aber alles erklärt.
Und da ist sie wieder die Idylle
Dann kommt der Bahnübergang und dann die Holzbrücke über den Fluss. Das ist meine Lieblingsstelle. Im Sommer feiern wir auf der Brücke. Ich weiß zwar nicht so genau wieso, aber es gibt Wurst und Bier und es gibt Feuerwehrleute, die braten und ausschenken. Es gibt auch Blasmusik, es gibt Kuchen, es gibt ein Feuerwehrfahrzeug, das mit den Kindern Runden fährt. Die Kinder stehen mit den nackten Beinen im Fluss, und die Großen sitzen auf derselben Bierbank wie im Jahr davor, mit denselben Bekannten am Tisch, so als wäre zwischen dem letzten Sommer nicht ein Jahr sondern nur eine Stunde vergangen.
An den weniger heißen Tagen stehen die Fliegenfischer ganz in schwarzen Gummisachen im Fluss und fangen Forellen. Jetzt im Winter ist der Fluss oft ein wahnwitziges Gebräu, das Äste und Einkaufswagen ablädt.
In der Adventsszeit führt auch der Adventsweg über die Brücke, die zwei Teile eines Dorfes oder zwei Teil-Dörfer miteinander verbindet. Dann sind an allen Pfosten Zweige festgemacht, überall flackern Teelichter und Kunstbelichtung, und alle haben es schön, oder wollen es zumindest schön haben.
Vom Ankommen auf dem Land
Ich überquere die Bundesstraße und komme noch an drei Häusern vorbei, bevor der Weg abbiegt hinauf zur Kirche, neben der unser Kindergarten steht. Das letzte Haus am Waldrand zieht stets meinen Blick auf sich, denn einmal ganz rundherum türmen sich – Dinge. Autoreifen, Spielzeug, Bücher, Gartengeräte, Teile für irgendwas, Krims und Krams. Es sind Türme, ganze Städte.
Das erinnert mich immer an eine Nachbarin in meiner ehemaligen Heimatstadt, die sich nicht trennen konnte, oder zumindest: die nichts wegwerfen konnte. Alles, alles was sie auf Flohmärkten geschenkt bekam, stellte sie in den Vorgarten ihres Mietshauses, ausdrücklich zum Wegnehmen. Das waren meist alte Bücher und Keramik. Aber immer mal wieder waren auch Kindersitze, Hochstühle, Babybadewannen und größere Spielzeuge mit dabei. Das rissen wir Neu-Eltern natürlich an uns, versteht sich.
Jetzt biege ich ab, Wald rechts, Fluss links, und fahre hinauf zur Kirche, die meinen Kindern viel Begeisterung entlockt. Sie wird liebevoll “Ding-Dong” genannt. Da sie an den Kindergarten angrenzt, läutet sich hier immer besonders LAUT. Dann heißt es “DING-DONG!!!” (gebrüllt).
Ja, bei uns ist was los.
Tipps für Ausflüge in der Umgebung mit kleinen Kindern:
1. Der Lotharpfad.
1999 riss Orkan Lothar viele Bäume im Schwarzwald aus. Ganze Hänge wurden kahl. Davon erzählt der Lotharpfad, ein Holzweg im Nationalpark, der zwischen entwurzelten Bäumen hindurchführt. Die Strecke ist so kurz und erlebnisreich, dass schon Zweijährige gut mitlaufen können.
2. Panorama-Bad Freudenstadt.
Der einzige Ort, der mir einfällt, wo man mit Kindern bei schlechtem Wetter hin kann.
3. Fahrrad fahren entlang der Murg:
“Tour de Murg”. Der einzige Weg, der eben genug ist, wenn man (wie alle Eltern) mit vielen Kilo unterwegs ist. Am besten natürlich abwärts fahren und mit dem S-Bahn wieder zurück. Man kann auf Felsen herumklettern (wenn das Wasser nicht zu hoch ist) und findet unterwegs auch den ein oder anderen Spielplatz. Wegen der Witterung hier aber nur von Mai bis September zu empfehlen.
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Bereits teilgenommen haben an der Reihe #kiezmitkind
Jana Patschehand mit tollen Tipps zu Berlin Friedrichshain (Teil I und II)
More is Now über das Römerland Carnuntum
und im März gibt es einen tollen Artikel über das Leben mit Kindern im Schwarzwald? falsch, diesmal in der Provence.
Das freut mich sehr, dass ihr hier gerne lest und mir das schreibt! Und ich schaue gern mal bei euch rein, guten Start mit dem neuen Blog!
Wir sind Oma und Opa und lesen immer gerne auf diesem Blog. Wir haben zwar 5 Enkelkinder, aber die sind 10000km weit weg. Deshalb sehen wir sie immer nur einmal im Jahr. Also beschäftigen wir uns mit uns selber und beginnen damit, unser Leben auf einem neuen Blog zu dokumentieren. – Na ja, den lustigen Teil unseres Lebens. Über Besucher freuen wir uns.