Ist die Königsdisziplin Kopfstand im Yoga unumgänglich? Janosch sagt: „Kopfstand, das ist Yoga, alles wird umgekehrt, und oben ist unten, und kaputt wird voll gut.“
… diesen Spruch ziert eine Postkarte, die ich auf der Yogamesse Anfang 2017 in München geschenkt bekommen habe. Eine Messe übrigens, die die kommerzielle Fratze des Yogageschäfts zeigt und nur in wenigen Ausnahmen spannend und lehrreich daherkommt. Würde ich nochmal hingehen? Ja, wenn mich jemand gefesselt und geknebelt hin zerrt. Was würde ich dort tun? Wieder den Messerabatt für sonst maßlos überteuerte Yogabekleidung ausnutzen und auf dem Pukka-Stand die neuesten Teevariationen ausprobieren – stylish, lecker, jedem Teeliebhaber zu empfehlen!
Muss ich, muss ich – Kopfstand im Yoga
Ja, der Kopfstand (Sirsasana) und ich, wir hatten uns bisher nur flüchtig kennengelernt. Eine gemeinsame Bekannte hatte uns vorgestellt – er war sehr freundlich und zeigte ein nettes Wesen, aber ich habe mich beschämt abgewandt. Seitdem plagt mich ein schlechtes Gewissen – bin ich doch der Meinung, dass ein Yogalehrer unbedingt mehr als sein halbes Leben auf dem Kopf verbringen sollte. Und ich, als bisher wenig-bis-mittel-sportliche Bürosessel-Maus, konnte mir bei Gott (und Krishna) nicht vorstellen, dass mein zartes Genick nicht komplett überfordert ist mit dem Gesamtgewicht meines restlichen Bodys. Doch dieses Wochenende sollte mich eines Besseren belehren:
Dicke Schneeflocken fallen am Bahnhof (es muss an den Yogavibes liegen, dass es an jedem Ausbildungswochenende wunderschön schneit) – Vorfreude im Bauch hinsichtlich der nächsten Stunden und Tage, aber ein ungutes Gefühl mischt sich unter … ich kann es noch nicht zuordnen.
Im Yogastudio breiten wir unsere Glückswiesen (sprich Yogamatten) aus und setzen uns erwartungsvoll in einen Kreis. Mantrasingen, gemeinsam ankommen und dann erklärt uns unsere Lehrerin, dass wir den Kopfstand detailreich lernen und üben werden. Ich blicke in ein paar äußerst erfreute Gesichter, die schon soooo lange auf diesen Augenblick gewartet haben und ein paar äußerst bedrückte Gesichter, die wohl wie ich keine geistige Vorstellungskraft von sich und Sirsasana aufbauen können. Auf los geht’s los – unsere Lehrerin zeigt Detail für Detail, sehr verständlich und anmutig ohne Ende, die einzelnen Schritte langsam vor und spricht selbst zum Schluss auf ihrem Kopf!!! in einem unangestrengten Ton weiter als würde sie immer noch sitzen… dabei hebt sie doch gerade in Slow-Motion die Beine um schließlich kerzengerade in einem perfekten Sirsasana zu verharren … und weiter zu erklären. Also ich muss schon sagen – wer bisher noch nicht von ihr begeistert war musste sich spätestens jetzt verlieben.
Tipps, um dem Kopfstand im Yoga näher zu kommen
Wir sind dran – Paarübung (zum Glück, ich konnte mich also von der magisch sich genäherten Wand wieder wegbewegen). In meinem Kopf wiederhole ich den Satz „Nicht in Leistungsdruck verfallen – wir haben das ganze Wochenende und darüber hinaus Zeit um den Kopfstand zu schaffen.“ Gaaanz langsam wiederhole ich jeden der gezeigten Schritte und versuche mich nicht umzuschauen und ganz bei mir zu bleiben. Schwierig, wenn man von rechts vorne plötzlich ein männliches „Juhuuu!“ hört. Ich muss innerlich grinsen und freue mich für den Kollegen … und siehe da: ich stehe plötzlich (nicht ganz ohne Hilfe und auch ein bisserl wackelig, aber immerhin) auf dem Kopf! Es geht! Mein zartes Genick scheint doch nicht ganz so zart zu sein (außerdem verteilt sich mein Gewicht ja tatsächlich auch auf die Unterarme – DIE Erkenntnis des Tages).
An diesem Wochenende üben wir immer wieder und jedes Mal geht’s ein wenig besser. Dazwischen drin summen wir wie in einem Bienenstock (da fällt mir der neue Lieblingswitz meines Sohnes ein: Warum summen Bienen? Weil sie den Text vergessen haben. 😉) und fühlen bei uns gegenseitig wie uns das Summen in Schwingungen versetzt. Außerdem gibt’s Anatomie-Stunden und eine Fortführung der Patanjali-Yogasutren. Alles in allem – lehrreich, spannend … also alles was die Yoga-Messe zumindest 2017 nicht war (vielleicht sollte ich aber auch meinen Anspruch an Messen überdenken).
Yoga mit Zahnweh
Beim Kopfstand im Yoga wird alles umgekehrt, das stimmt, und oben ist unten, auch richtig – aber kaputt wird nicht unbedingt voll gut. Zumindest nicht bei mir. Denn die Zahnschmerzen, denen wohl mein ungutes Gefühl am 1. Tag gegolten hat, waren auf einen kaputten Nerv zurückzuführen und der wurde in der Folgewoche nicht gut, sondern verstarb (von Beileidsbekundungen bitte ich Abstand zu nehmen). Zumindest dürfte all das Yoga und Meditieren die gekauften Schmerzmittel obsolet gemacht haben – für alle Fälle hatte ich mich am Samstag eingedeckt, aber nicht 1 Tablette musste ich anrühren.
Der Zahnarzt übrigens, der aushilfsweise meinen Zahn behandelte (mein Haus-und-Hof-Zahnarzt hatte sich das Becken gebrochen), den kannte ich bereits von früher – nämlich vom Yoga. 😉
Wir sind gespannt wie es weitergeht in der Yoga-Ausbildung. Wer die die ersten beiden Teile lesen und wissen will wieso meine Freundin überhaupt plötzlich diese Yoga-Ambitionen hat, findet die Texte hier. Also ganz ehrlich, vor dem Kopfstand im Yoga habe ich mich bisher immer ein wenig gedrückt. Vielleicht sollte ich es auch einmal mit Hilfestellung probieren? Solange ich meistens allein zuhause übe, werde ich weiterhin meinen geliebten Tripod oder Salamba Sirsasana II üben.
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