Heute, am Nikolaustag 2015, haben die Rasselbande und ich uns zu den vielen gesellt, die dem Perchtenlauf in Niederbreitenbach zugeschaut haben. Der heutige Tag beendet das große Höllenspektakel, das große Gruseln der Peaschtln (Perchten), die in den letzten Tagen in zahlreichen Zügen oder Passen ihre besondere urtümliche Kunst hier bei uns im unteren Inntal Tirols zur Schau stellen. Wir haben uns in Rauch hüllen lassen, rotes und grünes Feuer aus einem “Druidentopf” auf einem schlittenähnlichen Fahrzeug genossen, die greislige Hex im Kreis der Perchten tanzen sehen und uns von fiesen Ganckerln (Teufeln) mit roten Laser-Augen anfauchen lassen. Gelacht haben wir herzlich, denn zwischen den Auftritten der einzelnen Passen, gut 10 hintereinander, machten den leeren Platz die Mini-Ganckerl zu ihrer Bühne. Sogar unsere fünfjährigen Zwillinge standen dieses Jahr still und blickten den frechen Teufelchen mit den fratzenhaften Masken mutig entgegen. Keiner wich zurück – da konnten die etwas größeren Kinder noch so mit ihren Ruten wedeln.
Andere Kinder machten sich einen Spaß daraus, die Verkleideten zu ärgern: ein lustiges Getümmel. Ein bisschen kam es mir vor, als würden hier viele mutige Taten erprobt, Mutproben bestanden und hier und da baten die Kinder auch um ein Foto mit einem der Dämonen – vielleicht ja der Onkel?
Perchtenlauf ist Kult
Diese faszinierend-fremde Tradition ist sehr lebendig. Viele Kinder aus Familien, die da seit über 100 Jahren mitmachen, üben schon fleißig für ihre Auftritte in Kinderpassen. Als ich vor einigen Jahren das erste Mal zuguckte, war ich hin- und hergerissen zwischen abstoßendem Schauder und archaischer Faszination. Jedenfalls konnte ich es nicht verstehen, wieso Mamis ihre Babys da mitschleppten. Seitdem ich mich mit dieser Tradition beschäftige, sehe ich sie in einem anderen Licht.
Doch schließlich stand die nächste Gruppe bereit für ihren Perchtenlauf. Die dicken Maismänner mit den ellenlangen Hörnern hauten in kräftigem Rythmus in ihre Blechtrommel. Diese urtümlichen Rhythmen erinnern mich jedes Jahr wieder an die Initiationsriten fremder Ureinwohner, wie ich sie in meinem Ethnologiestudium kennengelernt habe. Auch dieser Tradition liegt ein Fruchtbarkeitsritual, wohl der Sagenschatz der Wilden Jagd zugrunde. Gerade der Mais symbolisiert den ursprünglichen Kern des Kults, für eine gute Ernte im neuen Jahr zu bitten.
Sicher kein Touristen-Event
Der Radau und der Krach der rhythmischen Klänge und das Auskehren der Hex – einer zentralen Figur einer jeden Pass – soll die Dämonen der Dunkelheit und des Winters milde stimmen. Sie vertreiben die verbrauchten, negativen Energien des alten Jahres, um so einen gereinigten Raum für Neues zu schaffen. Offensichtlich haben die Kinder einen besonderen Zugang zu alldem. Vor allem die Buben beginnen frenetisch im Rythmus zu kreisen, zu springen. Sie tanzen völlig losgelöst, hüpfen auf der Stelle. Auch Tage danach stimmen sie den martialischen Trommelreigen immer wieder an.
Wer mehr über die Tradition des Perchtenlaufs im Unterinntal erfahren will, findet einen kleinen Artikel von mir im Adventskalender des schönen Blogs der Kellerbande. Perchten gibt es übrigens in vielen Gegenden im Alpenraum und auch zu verschiedenen Zeiten im Winter – bei uns in der Gegend um Breitenbach am Inn, Mariastein, Angerberg, Kirchbichl, Langkampfen ist die Tradition mit Sicherheit sehr urtümlich und kein Marketinggag einer besonders umtriebigen Tourismusbehörde. Die Peaschtln sind echt, jedes Jahr aufs Neue gruselig und unfassbar fremd. Und der Sound ist einfach genial.
Mehr lesen über die Perchten Traditionen in Tirol könnt ihr hier und über Samhain hier.
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