Mompositivity: lerne das Kind in dir lieben

Mompositivity - lerne das Kind in dir lieben!

Mompositivity, habe ich das noch? Ich war mal eine sehr coole Mama: Als die Kinder klein waren, habe ich immer eine Idee parat gehabt, wenn auch nur die Spur einer Langeweile aufkam. Wir haben getöpfert, geknetet, geklebt, gepinselt und gefilzt. Salzteig und Schüttspiele waren ebenso wenig ein Problem wie das Fahrrad oder den Kaufladen abzuschleifen und einen neuen Anstrich zu verpassen. Es waren die Tage vor meinem Bastel-Burnout. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr zu basteln und auch nicht mehr oft Lust zu spielen, zumindest nichts auf dem Boden: lieber vorlesen oder ein Brettspiel – was geordnetes eben, mit klaren Regeln und möglichst wenig Diskussion.

  

Mama hat keinen Bock mehr

Nicht nur eine sehr coole Mama war ich, sondern auch so eine richtige Bilderbuchmama: So eine wie sich wahrscheinlich die meisten frisch gebackenen  Mütter vornehmen, eine zu sein. Eine zum Liebhaben und Lachen, zum Spaß machen und Quietschen vor lustig, zum Quatschgeschichten erzählen und zum Toben. Eben eine, die cool bleibt – komme was da wolle und sich nicht aus der Fassung bringen lässt.

Ja, das habe ich meistens gut hingekriegt, fünf gerade sein lassen. (Oft hatte ich ja auch gar keine andere Wahl mit meinem Dreamteam 3 unter 2!). Obwohl es eine richtig anstrengende Zeit war, in der ich jedem einen Vogel gezeigt hätte, der mir vorgeschlagen hätte einen Blog zu schreiben. (Ich bewundere jeden, der das mit Kleinkindern hinkriegt.) Obwohl ich alle Zeit in meiner Mutterblase mit den Kleinen verbracht habe, war sie voll da die Mompositivity. Ich war bloß leider zu erschöpft, um stolz darüber oder überhaupt auf mich zu sein. Das kam erst später.

Beim ersten Kind war das auch wieder ganz anders. Da wollte ich alles perfekt machen und ich hätte mir das Leben ruhig ein bisschen leichter machen können, so wie es Sarah auf ihrem Blog Lotte und Lieke beschreibt. Sie hat mit Familieberlin die Mompositvity Blogparade ins Leben gerufen und mit ihr eine sehr erfolgreiche Instagram Aktion. Wer auch immer gerade Mompositivity braucht oder stolz ist, seine bewahrt zu haben, kann den Hashtag Mompositivity benutzen – ab jetzt, für immer. Wir sind also nicht mehr allein, wenn wir einen Durchhänger haben. Schön, nicht?

Doch irgendwann habe ich mich verändert. Oder liegt es daran, dass die Kinder gewachsen sind und der Spruch mit den kleinen Sorgen für Kleine und große Sorgen, ihr wisst schon, eben doch stimmt? Wahrscheinlich ist beides passiert. Mama hat die Schnauze voll von Dreck unterm Tisch und achtlos hingeworfener Wäsche. Mama will auch keine Reste mehr verspeisen. Mama will ab und an mal ihre Ruhe haben – zumindest mal mit Schlüssel aufs Klo. Mama will ERZIEHUNG! Nach sieben, acht Jahren sollte man doch annehmen, das irgendwas von dem Zeug, das man den lieben langen Tag erzählt und VORMACHT, doch da angekommen ist, wo es hin soll. Wie jetzt, nein? Ich sage Euch, ab diesem Zeitpunkt, wenn du merkst, das nichts besser wird, nur anders, da wird es erst richtig frustrierend.

Meine Mompositivity macht das nicht mit. Das hält sie nicht aus. Also ab jetzt nichts mehr erlauben, streng sein, alles verbieten? Das bringt leider gar nichts. Ich habe es ausprobiert. Nur kurz. Es muss einen anderen Weg geben, um das Familienleben so zu gestalten, dass es für die Kinder und für die Eltern passt. Ich meine damit ein Minimum an Konsens von Seiten der Kinder in Sachen Ordnung, Pünktlichkeit, Schule – Regeln eben – und ein Maximum an Freiheit, das wir den Kindern gerne zugestehen, wenn es eben läuft. Wenn wir uns auf sie voll verlassen können in den wichtigen Punkten.  (Die wir eben seit Jahren üben).

Was hat das mit Selbstliebe und Mompositivity zu tun? Mehr als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Erstens ist das Befolgen von Regeln wichtig, dass ich mich wohlfühlen kann. Dass es mir gutgeht. Ich liebe mich so sehr, dass ich erkennen kann, was ich gerne für andere tue. Dadurch erkenne ich aber auch, wo die Grenze ist, die ich einhalten muss um mich selbst zu schützen. Wenn sie jemand übertritt, bin ich dafür verantwortlich, mich zur Wehr zu setzen.

Wie das so ist mit quietschfidelen Grundschülern

Heute haben wir einen Übernachtungsgast. Vom großen Kind. Also zwei Achtjährige und zwei Siebenjährige. Unzählige Male  hatten wir schon Übernachtungsgäste. Das haben wir angefangen, als der Große ein Vorschulkind war. Kein Problem also, oder? Es waren auch keine Streitereien zu befürchten, da sich alle vier meistens zusammen gut verstehen. Doch womit ich nicht gerechnet hatte, war die absolute Albernheit der vier Kinder. Sie waren so lustig und dabei so laut wie ich mir eine ganze Schulklasse vorstelle. Jedenfalls lauter als eine ganze Kneipe. Da kam meine Mompositivity ganz schön ins Schleudern.

Mein Kopf dröhnt, ich fühle mich bescheiden. Ich streiche ein Brot, ein Kind schreit mich an. Da gehe ich einfach raus, denn ich habe keine Lust angeschrien zu werden. Auch das gehört für mich zu Mompositivity. Loslassen! Weggehen und sich denken: Ist doch jetzt mal egal, was sie genau essen. So ungesund leben sie nicht, unsere Kinder.

Ich ziehe mich zurück und höre sie übermütig kreischen und grölen. Zum Glück gehen sie nach der Jause raus und laufen zwei Stunden durch den Regen. Ich rege mich auch nicht auf, als der eine mit nassen Haaren wieder kommt. Er ist mal wieder ohne Kapuze raus. Aber sie sind wie ausgemacht zurück, als die Dämmerung einbricht und sie haben mir, auch wie ausgemacht, genau gesagt, was sie vorhaben und wohin sie gehen.

Seht ihr schon, mit was die einst so lockere Mami es hier zu tun hat? Da kommen plötzlich echte Gefahren auf die coole Mama zu, die erst einmal prinzipiell zu allem Ja sagt. Ohne dabei immer genau zu wissen, auf was sie sich da mit einer Bande Grundschüler, die der Hafer sticht, so einlässt. Und es geht immer weniger darum, was ich will, was ich meine, was gut für sie ist. Manche Erfahrungen müssen sie wohl selbst erfahren, meine ewigen Predigten, eine Jacke ANZUZIEHEN (nicht nur mitzunehmen) bringen nichts, rein gar nichts. Es endet nur in einem Machtkampf und tritt die ganze schöne Mompositivity mit Füßen.

Das Abendessen ging dann in gewohnter kreischender Lautstärke weiter. Zuerst war ich schrecklich gereizt, genervt, habe die Kinder ermahnt, sie gebeten doch bitte leise zu sein. Dann habe ich innerlich resigniert, da ich erkannte, dass ich gegen diese geballte Gute Laune ohnehin nicht ankomme. Ich habe mich einfach dazu gesetzt und zugehört.

Und es wurde richtig lustig: zwar irgendwie so blöd, dass es weh tut, aber lustig: Sie haben einen Witz nachgespielt, mit verteilten Rollen: Das mit dem Messer, Messer, Messer, geht es besser, besser, besser und für das liebe Sandmännchen – falls den jemand kennt. Reihum waren sie das Gürkchen, die ermordete Frau, der Polizist und der Sprecher/Erzähler. Puuuuhhhh, ich sage es euch, bei jeder Runde wurde es blöder.

 

Mompositivity ist jeder Moment, in dem du dich lachend zu deinem inneren Kind setzt

Aber irgendwie ist das ohrenbetäubende Spektakel vorbei gegangen und es war gut: einfach nur dabei zu sitzen und sich auf die Albernheit einzulassen. Sich an die eigene Albernheit in dem Alter zu erinnern. Das ist wichtig. Das ist richtig wichtig, um die Mompositivity hinzukriegen. (Cooles Wort, übrigens). Denn wer sich selbst liebt, liebt doch auch das Kind, das sie/er einmal war, oder?

Wie oft habe ich schon gebrüllt, und mir nachher gedacht: War das wirklich nötig? Wieso bist du so ungehalten, sagst plötzlich immer erst einmal nein? Du warst doch die Ja-Mami. Wo ist die hingegangen? Einer meiner Söhne hat es letztens auf den Punkt gebracht und daraus ein Liedchen für mich gedichtet:

Mama du bist die Beste, auch wenn du manchmal kacke machst.

Das singen sie mir jetzt immer vor, wenn ich ungehalten werde und brüllen will. Und es wirkt. Bloß gut, dass die Kinder rausgefunden haben, mich zu spiegeln. Das ganze große Wutgebäude, das sich da schwer und drohend aufgebaut hat, fällt mit so einem Stups zusammen wie ein Kartenhaus und lässt ganz viel Platz für wohltuende Mompositivity: für Lachen und Leichtigkeit, für Liebe und Freude. Für das Kind in mir, das ich einmal war – und gerne immer noch bin.

Ich bastle übrigens auch wieder.

 

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