Wie gelingt es Dir, Deine Geburt positiv erleben zu dürfen?
Buchrezension: Schwangerschaft und Geburt
Frauen erinnern sich 1 : 1 transkribiert von Martina Stubenschrott
Heute möchte ich Euch ein Buch vorstellen, das mich sehr berührt hat. Es Es findet Antworten auf die Frage, wie möglichst alle Frauen Geburt positiv erleben können. Das gelingt auf eine ganz besondere Art und Weise: Denn es wurde an den Texten nichts redigiert, retuschiert oder beschönigt. In der 1: 1 Transkription von Martina Stubenschrott erinnern sich Frauen ganz persönlich an ihre Schwangerschaften und Geburten. Die Interviews nehmen die Leserin mit auf eine emotionale Reise.
Die Autorin geht einen großen Schritt weiter, indem sie darüber nachdenkt, was geschehen muss, damit Frauen Geburt positiv erleben – ganz gleich ob sich das zur Welt kommen ihrer Kinder nun im Krankenhaus oder Daheim abspielt. Wer die sehr unterschiedlichen Geburtsgechichten liest, dem wird schnell eines klar: Es geht weniger darum, wie “einfach”, schnell oder riskant, ja zum Teil sogar lebensbedrohend für Mutter und Kind sich eine Geburt abspielt. Um Geburt positiv erleben zu können, sind vielmehr die äußeren Umstände relevant. Entscheidend sind Gefühle und die Haltung des Umfelds, des medizinischen Personals, der Hebammen und der Ärzte.
Warum habe ich meine Geburt positiv erleben können trotz Kaiserschnitt?
Ich kann das sehr gut nach empfinden, denn obwohl meine zweite Geburt, eine Zwillingsgeburt, trotz aller Bemührungen meinerseits und meiner Frauenärztin als Kaiserschnitt geendet ist, habe ich ein gutes Gefühl damit gehabt bzw. konnte ich mit der Entscheidung leben. Wir haben gemeinsam entschieden, ich bin gehört und in keinster Weise übergangen worden. Ich habe das Gefühl alles probiert zu haben, um meinen Kindern eine natürliche Geburt zu ermöglichen.
Wir haben ihnen Zeit gelassen solange es ging, von alleine herauszukommen. Dazu haben wir Yoga-Positionen probiert und versucht homöopathisch einzuleiten. Als die Plazenta schließlich nicht mehr in der Lage war, die Kinder ausreichend zu versorgen, mussten wir handeln: Doch trotz Wehentropf kam die Geburt nicht in Gang. und auch dann war noch die Zeit, eine Nacht drüber zu schlafen, abzuwarten.
Schwangerschaft als Zeit seine Prioritäten zu setzen
Schon während der Schwangerschaft, in der eines der Kinder permanent mit dem Kopf nach oben und den Beinchen nach unten im Bauch lag (Steißlage), bin ich von Klinik zu Krankenhaus gefahren, um mir immer wieder anzuhören: Da gibt es bei uns sowieso einen Kaiserschnitt, bei Zwillingen! Dankend habe ich abgelehnt und weiter gesucht. Mal hieß es, das macht nur noch der Chef, aber der ist da in Urlaub, mal das könne keiner mehr der jungen Ärzte! Ja, auch hier zeigt sich wieder deutlich, wie wichtig das alte Wissen der Hebammen und Geburtsbegleiterinnen ist, was für ein gewaltiger kultureller Schatz hier im Begriff ist für immer verloren zu gehen.
Wie froh war ich, als sich das Kind, das im Übrigen immer mal wieder gern ein paar Purzelbäume schlug, unmittelbar vor der Geburt in der warmen Badewanne in die richtige Position gedreht hatte. Dann wollte aber keiner mehr erster sein und keines der Kinder schob sein Köpfchen Richtung Becken. So ist alles eben anders gekommen, als ich mir das von meiner zweiten Geburt erwünscht hätte.
Eigentlich hatte ich mir ja eine Hausgeburt gewünscht, nach den schockierenden Erfahrungen bei meiner ersten Geburt im Krankenhaus. Aber mit Zwillingen? In Österreich ist das ohnehin nicht erlaubt. Und auch in Deutschland muss man, denke ich, sehr lange suchen und sich da schon sehr sicher sein, um das durchzuziehen. Selbst in Zeiten vor dem großen Hebammensterben….
Ein guter Rat für Erstgebärende
Den Frauen hat die Autorin in den Interviews für ihr Buch folgende Fragen gestellt: Wie habe ich meine Geburt erlebt? Was habe ich gefühlt und was hat mir gutgetan? Was hat mich geschwächt? Gibt es etwas, das ich Erstgebärenden mit auf ihrem Weg geben will?
Ausdrücklich bittet sie darum, dass Erstgebärende nur die positiven Geschichten lesen sollten. Also ganz ehrlich, ich glaube, ich wäre zu neugierig gewesen… Aber obwohl ich mich in meiner ersten Schwangerschaft sehr viel mit der selbstbestimmten Geburt beschäftigt habe, ist bei mir alles überhaupt nicht so gekommen, wie ich es mir vorgestellt und gewünscht hätte. Geburten sind nicht planbar – Leben auch nicht. Heute weiß ich viel mehr über Schwangersein, Gebären und Kinder kriegen, Hebammenkunst und Hausgeburten. Ich bin viel sicherer und würde viel bestimmter für das einstehen, für all das, was mir wirklich wichtig ist.
Dazu muss jede Schwangere aber herausfinden, was sie will und was sie nicht will. Da helfen Bücher wie dieses. Ich habe die Hebammensprechstunde von Stadelmann damals verschlungen. Aber leider klappte gar nichts, von all diesen wunderbaren Ideen einer selbstbestimmten Geburt, als meine Vorstellungen davon eklatant mit dem System Krankenhaus zusammen stießen. Wenn ich Euch erzähle, dass mir einfach so – mit der lakonischen Auskunft “Das wird eine Blitzgeburt” nach nicht einmal einer Stunde im Krankenhaus die Fruchtblase geplatzt wurde?
Ein rotes Handtuch, in das mein Baby gewickelt werden sollte? Verlacht meine Wünsche, vergewaltigt meine Seele und mein Körper, aber lest selbst. Für den LebensGut-Verlag habe ich meinen Geburtsbericht neu verfasst.
Und hier findet ihr einen Beitrag zum Thema Perfektionismus von mir.
Keine Wahl bei der Klinik?
Deshalb müssen die äußeren Umstände möglichst so sein, dass Euch so etwas gar nicht erst passieren kan. Sucht Euch bereits am Anfang der Schwangerschaft eine Doula, geht zu einer Hebamme, sprecht mit ihr über Hausgeburten und Geburtshäuser, hört Frauen zu, die schon Kinder auf die Welt gebracht haben. Wer aktiv das Gespräch sucht, bekommt neue Inspiration und Ideen.
Wer auf dem Land lebt, hat oft keine Möglichkeit sich eine besonders überzeugende Geburtsklinik auszuwählen. Es ist dann eben (vermeintlich?), wie es ist. Wenn eine Hausgeburt für Euch nicht infrage kommt, wäre es sehr wichtig, dass Euer Partner zu Eurem Anwalt wird. Doch nicht alle Männer kriegen das hin. Und viele Menschen lassen sich vom Krankenhauspersonal, nach häufig vermeintlichen Vorschriften und Regeln der Kliniken schnell verunsichern. So war es bei mir auch. Im Nachhinein würde ich alles dafür tun, dass ich eine Geburtsbegleiterin, eine Doula bei mir gehabt hätte, die für meine Rechte einsteht.
Vielleicht helfen aber Bücher wie dieses auch dabei, hier etwas im Kern zu ändern. Oft reicht schon eine einzige Person, eine Hebamme oder eine Krankenschwester, damit sich Gebärende nicht ausgeliefert und fremdbestimmt fühlen. (Gebärende) Frauen sind noch viel zu oft Objekte. Ihre subjektiven Bedürfnisse und Wünsche müssen Gehör finden. Weder darf ihnen eingeredet werden, sie wären mit einem Kaiserschnitt besser bedient noch darf ihnen Angst vor einer Hausgeburt gemacht werden. All das muss sich endlich ändern.
Warum ich im nächsten Leben auf eine Hausgeburt bestehen würde
Längst habe ich gedacht, ich habe das Kapitel Gebären abgeschlossen. Doch mit der Lektüre des Buchs von Martina Stubenschrott ist vieles wieder an die Oberfläche gekommen, von dem ich seit langem dachte, es wäre verarbeitet, ad acta gelegt, nicht mehr zu ändern und losgelassen. Die von der Autorin transkribierten positiven und negativen Geburtserinnerungen anderer Frauen waren für mich sehr aufschlussreich und in sich selbst eine so emotionale Erfahrung, dass ich tagelang darüber nachgedacht habe, ob ich nicht gerne erneut spüren möchte, wie ein Kind unter meinem Busen heranwächst, erneut gebären und diesmal mit einer Hausgeburt, losgelöst von allen rigiden und menschenverachtenden Strukturen und Mechanismen der Institution Krankenhaus. Ohne mich diesem Apparatschik erneut zu unterwerfen, endlich eine Geburt so zu erleben wie ich es mir immer gewünscht habe: selbstbestimmt und frei meinen weiblichen Urkräften und dem überlieferten Wissen und Gespür einer Hebamme vertrauend.
“Hören wir auf, Dinge zu tun, die sich blockierend auf die Geburt auswirken”, sagt Martina Stubenschrött in ihrem Buch, das sich nicht als medizinischen Ratgeber versteht.
“Ich möchte Raum für die Innenwelt der gebärenden Frau schaffen. Durch die intimen Erzählungen wird spürbar, wie es der Frau geht, ob auf dem Bett liegend, im Vierfüßlerstand, auf dem Hocker oder in der Badewanne. Ich möchte bei Geburtshelfenden mehr Feinfühligkeit für die Geburtsprozesse wecken. Mir geht es um die einfachen Dinge, die der Frau gut tun.”
Martina Stubenschrott ist Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin. Auf ihrem Blog Storypower könnt ihr auch gucken, was sie sonst noch so schreibt: nämlich jede Menge Romane und Geschichten für Kinder und Erwachsene sowie Sachbücher.
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