Kann ein insektenfreundlicher Garten das große Bienen- und Insektensterben noch abwenden helfen? Geht das überhaupt noch? Es ist EINE SEKUNDE VOR ZWÖLF!
Ein insektenfreundlicher Garten ist kein Ersatz für Politiker, die endlich einmal für Umweltschutz eintreten und dies nicht nur auf dem Papier tun! Schöne Worte helfen weder Bienen noch Schmetterlingen, Nachtfaltern und all den anderen Wirbellosen, die ebenso aussterben werden, wenn wir nichts unternehmen!
Ein insektenfreundlicher Garten ist aber doch mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland ca. 1,3 Millionen Hektar Naturschutzgebiete gibt, in denen ebenfalls die Insektenarten und allgemein die Artenvielfalt und Biodiversität zurückgeht und es aber gleichzeitig um die 930.000 Hektar Privatgärten gibt, die ein insektenfreundlicher Garten sein oder diesen Frühling werden können.
Die Politiker müssen aktiv werden und nicht wie es seit Jahrzehnten geschieht wieder vor den mächtigen Lobbys in die Knie gehen! Seit Jahrzehnten ist bekannt, was die Hauptfaktoren sind, die das Artensterben verursachen. Zum einen ist es die Industrialisierung der Landwirtschaft. Die riesigen Felder in Monokultur werden mittlerweile grüne Wüsten genannt. Wie traurig ist das denn! Insekten haben keine Chance über die mit Pestiziden vollgepumpten, überdüngten Quadratkilometern an Feldern hinwegzufliegen. Noch dazu werden die mehrmals im Jahr kurz gemäht, sodass Wirbellose entweder beim Mähvorgang umkommen, sollten sie Pestizide und Stickstoff-Schwaden überlebt haben. Sie haben auch keine Chance mehr weg zu kommen, denn die Mat wird sofort in Silos verbracht.
Städte und Monokulturen wachsen
Der zweite Faktor sind die vielen Gewerbegebiete und Neubausiedlungen. Es wir dgebaut, gebaut und gebaut. Naturschutzgebiete sind dazwischen oft nur noch kleine Inselchen. Die Tiere haben keine Chance mehr von einem Naturschutzgebiet zum nächsten zugelangen. Korridore und Trittsteine fallen immer mehr weg. Dadurch sterben die Arten dann einfach aus und gelangen nicht mehr in einen anderen geeigneten Lebensraum hinüber.
Ich mache mir meiner Empörung Luft, aber viel genauer, detailreicher, wissenschaftlicher, aber dabei doch flüssig zu lesen und allgemeinverständlich erklärt euch Dr. Andreas Segerer die prekäre Lage der Insekten in seinem im Oktober im Oekom Verlag erschienen Buch: Das große Insektensterben. (Segerer/Rosenkranz) Ja, sie werden ALLE aussterben, wenn wir nichts unternehmen.
Geht auf die Straße, unterschreibt Petitionen (z.B. beim Münchner Umweltinstitut) und seit so laut wie ihr könnt! Hört nicht auf, für die Bienen und Insekten zu kämpfen! Unsere Kinder haben das verdient. Denn ja, Herr Segerer, Sie haben so was von recht, noch eine Generation, und die Kinder unserer Kinder haben Biodiversität und Artenvielfalt nicht mehr kennengelernt. Dann hat die Lobby der Agrarindustrie gewonnen!
Denn was wir nicht kennen, können wir nicht vermissen. Kinder sollen draußen spielen, aber wo denn, zwischen pestizid verseuchten Monokulturen? An klinisch grünen Feldrainen, an denen nichts mehr blüht und summt?
Mein insektenfreundlicher Garten
Kommt, macht mit! Es ist nicht schwer, ein insektenfreundlicher Garten ist sogar viel weniger Arbeit als ein perfekt kultivierter, wo alles aufgeräumt ist und in Reih und Glied steht.
Für Kinder macht ein insektenfreundlicher Garten sowieso mehr Spaß, weil er mehr Abenteuer bietet. Kinder können hierin spielen und Kinder sein. Und auch keine Angst, dass das dann nur ein verwilderter, hässlicher Schandfleck wird. Falsch gelegen! Es gibt wunderbare Blütenstauden, die ihr Pflanzen könnt. Wichtig ist es, ungefüllte Blüten auszuwählen, denn bei gefüllten Blumen kommen die Bienen und Hummeln nur schwer hinein zum Nektar holen.
Außerdem solltet ihr keine Hybridzüchtungen als Samen kaufen. Fragt doch eine Nachbarin oder eine Anliegerin in Eurem Schrebergarten – was ihr habt noch keine Parzelle? Jetzt ist die richtige Zeit sich einen Mietgarten für das Gartenjahr zuzulegen – nach Ablegern. Ihr macht Hobbygärtner damit nicht nur sehr glücklich, wenn ihr sie nach Ableger fragt, denn es ist eine große Bestätigung für die Schönheit ihrer Gärten. Jeder gibt euch Ableger, schaut euch doch mal um, wen ihr fragen könntet. So bekommt ihr an alte, gute, echte Samen und keine Hybride, die sich nicht mehr weiter fortpflanzen können (ja, sie sind so gezüchtet, dass ihr euch immer wieder neue kaufen müsst, schön blöd, was?) In Österreich gib es den tollen Verein Arche Noah, der für Artenvielfalt von Kulturpflanzen kämpft, vielversprechende Projekte mit Bauern durchführt und über den man auch gutes Saatgut kaufen kann.
Tipps und Tricks für das Gartenjahr
Der zweite Vorteil ist dabei, dass es viel einfacher ist, Ableger groß zu ziehen, als neue Samen in blühende Blumen zu verwandeln. Das weiß ich aus Erfahrung und ich bewundere meine Oma sehr, dass sie das konnte. Leider hat sie ihr Wissen mit ins Grab genommen, ich kann sie nicht mehr fragen. Es braucht jedenfalls sehr viel Geduld und aufmerksame Pflege. Ich nehme lieber die Ableger meiner Mutter und habe so mehr Erfolgsgefühle. Es ist nämlich ganz schön frustrierend, wenn in einer nassen Nacht alles von Schnecken verspeist wurde – zum Beispiel.
Das alles geht natürlich auch auf dem Balkon in Kübeln. Auch Gemüse und Kräuter in einem Hochbeet sind ein guter Anfang. Ein Hochbeet legt ihr so an. Am besten richtet ihr euch gleich noch einen eigenen Kompost mit ein. Da könnt ihr immer alles drauf schmeißen, was sich so im Garten ansammelt. Es ist übrigens für alle Tiere gut, wenn ihr etwa Laub liegen lässt, sich selbst überlassene Ecken kultiviert, in die ihr euch nicht einmischt und z.B. auch abgestorbene Pflanzen und Äste einfach liegen lässt oder in einer Ecke aufschichtet. Auch stehendes Wasser ist gut für Insekten. Sie können da Eier ablegen.
Lasst Brennesseln ruhig wachsen, aus ihnen kann man super einen natürlichen Dünger machen. Wie Brennesseldünger geht, lest ihr hier, etwas runterscrollen bis zum Bild mit der Brennessel im Eimer.
Wir brauchen die Agrarwende und eine Politik, die Grenzen setzt!
Ist das eine Nervengift verboten, ziehen besagte Großkonzerne sofort das nächste Gift aus der Tasche! Das Umweltinstitut und viele andere kämpfen gegen die neuen Spritzmittel mit dem Wirkstoff Sulfoxaflor, die kurz vor der Genehmigung in Deutschland stehen. Nach allem, was wir wissen, wirkt der Stoff ganz ähnlich wie die erst kürzlich im Freiland verbotenen Neonicotinoide (kurz Neonics). (Wirken auf das Immunsystem der Bienen und zwar 10.000 mal stärker als das schon lange verbotene DDT! siehe Segerer, Das große Insektensterben). Mit dem neuen Sulfoxaflor könnte sich die Situation für viele Bestäuber wie Bienen und Hummeln weiter verschlechtern.
Obwohl die EU-Kommission seit über einem Jahr den Zugang zu den Studien aus dem Zulassungsverfahren für Sulfoxaflor nicht herausgegeben hat, und somit eine Überprüfung von unabhängiger Stelle unmöglich gemacht hat, gab es 2018 eine überraschende Wende. Dem Umweltinstitut sind die ungeschwärzten Studien zugespielt worden und konnte somit überprüfen, wie gefährlich Sulfoxaflor für Bienen, Hummeln und andere Insekten wirklich ist – beziehungsweise ob die von der Industrie eingereichten Studien überhaupt geeignet sind, dies festzustellen. Dazu wurde ein unabhängiger Wissenschaftler beauftragt. Bis 13. Februar läuft in Bayern noch das Volksbegehren für die Artenvielfalt!
Denn 73 % aller tagaktiven Falter sind verschwunden sowie 75 % ALLER Insektenarten! Die sind schon weg!!! Passt mal auf wie sauber Eure Windschutzscheibe bleibt, auch wenn ihr auf einer Landstraße durch Wiesen fährt! Nur, falls ihr es irgendwie nicht wahrhaben wollt. Hier in den Alpen haben wir wirklich das Glück einer letzten Idylle intakter Natur – fragt sich nur wie lange noch!
Übrigens: Es gibt auch nur halb so viele Singvögel wie vor 30 Jahren und auch die Fledermäuse sind bedroht! Auch sie finde keine Behausungen zum Überwintern mehr, leiden unter der Lichtverschmutzung der Städte und an deren rapidem Anwachsen. Auch die Hälfte aller Wildbienenarten sind bedroht oder bereits ausgestorben!
Simone Fischer, Bio-Imkerin
Ich sammle schon länger für diesen Artikel und möchte Euch hier die Bio-Imkerin Simone Fischer, die neben Honig auch allerlei Nützliches für Zero Waste mit Bienenwachs herstellt, wie Hygiene-Produkte, Frischhaltefolien-Ersatz und mehr, zu Wort kommen lassen. Hier ihr Statement:
“Ich setze mich schon sehr lange für Bienen Insekten und Wildbienen ein, jedes Jahr bastle ich viele Weihnachtskalender wo ich 24 Sorten samenfestes Saatgut verwende. Bei jeder Bestellung hier auf meiner Seite Stoffleben sende ich eine Mischung aus Blumen, die samenfest sind und sich jedes Jahr selbst aussähen mit, auch Hirse ist dabei für die Vögel.
Die “Saatgutbomben” wirft man am besten da hin, wo nicht regelmäßig gemäht wird…am besten sind Waldränder…oder unter Büsche..etc.. Leider ist es durch die Industrielle Landwirtschaft nicht mehr möglich viele Insekten zu helfen, da viele Spritzmittel, die eingesetzt werden, absolut tödlich sind und viele Bienen solche Nervenschäden erleiden und dadurch einfach nicht mehr nachhause finden.
Ganz deutlich möchte ich sagen diese Haltung einiger Veganer, keine Bienenwachsbeutel zu verwenden, ist für mich keine Option, da andere Öle und Fette teilweise aus dem Regenwald oder auch Sojaprodukte einen absolut unökologischen Fußabdruck haben und schon alleine erstmal um die halbe Welt reisen müssen, um bei uns anzukommen. Was in Ländern wo Soja angebaut wird für Fehlgeburten, Krebserkrankungen und Missbildungen bei Kindern auftreten, davon möchte ich erst gar nicht sprechen. Lieber sollte man einen regionalen Bio Imker unterstützen, der nach Biorichtlinien wirtschaftet, da die Bienen – so hart wie es ist – ohne menschliche Hilfe nicht mehr überlebensfähig sind! Dafür ist es bereits schon zu spät…
Würde es keine Imker mehr geben, hätten wir keine Bienen mehr. Die Varroamilbe wurde von Asien eingeschleppt, und ist dort aus einem Labor entwischt. So würde ein Bienenvolk spätestens nach 2 Jahren ohne Behandlung mit Ameisensäure sterben. Die Bestäubung würde weitestgehend von wenigen Hummeln, Wespen und anderen Insekten erfolgen, was eher suboptimal wäre für die Früchte… !”
Wenn ihr was tun wollt, dann überlegt Euch JETZT was ihr in diesem Gartenjahr tun könnt – wenn ein insektenfreundlicher Garten für dich unerreichbar scheint, dann überlege, wen du von so einem Versuch überzeugen könntest. Wen kennst du mit Garten, kommt ein insektenfreundlicher Garten zum Mieten, ein Schrebergarten oder Gemeinschaftsgarten, indem du dich in deiner Stadt engagieren kannst, für dich in Frage? Könntest du in einem Stadtpark Saatbomben plazieren oder eine Verkehrsinsel in deiner Straße begrpnen? Es gibt viel, was du tun kannst. Solang die Politiker noch überlegen, handeln wir schon!
Mehr grüne Ideen findet ihr wie immer beim Grünzeug
Liebe Sanny, vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich freu mich über Dein Interesse. Das von mir empfohlene Buch gibt viel mehr weiterführende Informationen, Hintergrundwissen und Tipps. Ich finde es in der Tat der Hammer, dass die Insekten erst fast ausgestorben sein müssen, bevor das Thema in die Medien kommt.
Ich freu mich, dich erreicht zu haben und nehme mir hiermit vor, mehr in dieser Richtung zu schreiben, glg Verena
Liebe Verena!
Ich habe mir gerade sehr interessiert deinen Artikel durchgelesen – und bin jetzt ganz aufgeregt! Vielen Dank für das ausführliche Informieren über dieses Thema. Ich find’s klasse, dass du hier so viel Leidenschaft reingesteckt hast – man merkt richtig, wie sehr dir das Thema Insektensterben nahe geht. Solche Blog-Posts mag ich generell am Liebsten. Ich muss gestehen, dass ich von dem meisten, was du aufgeführt hast, nicht wirklich Ahnung hatte. Na ja, ein bisschen schon, aber wahrscheinlich genau so “ein bisschen” wie die Rest unserer Gesellschaft. Es ist mal wieder ein unangenehmes Thema, mit dem sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht beschäftigen will, weil das ja heißen würde, dass man selbst aktiv sein müsste (reine Vermutung meinerseits jetzt). Und da bin/war ich keine Ausnahme. Von daher find ich’s – wie gesagt – super, dass du darauf mit so einer Passion aufmerksam machst. Nur so kann man auch etwas bewirken. Mich zumindest hast du schon mal erreicht und ich werde versuchen, mir Gedanken zu machen, wie ich persönlich einen positiven Beitrag zum Insektensterben beitragen kann.
Das Einzige, was ich in deinem Post nicht so befürworte, ist das Argument, dass gegen Veganer geht, die keine Bienenwachsbeutel verwenden wollen, “da andere Öle und Fette teilweise aus dem Regenwald oder auch Sojaprodukte einen absolut unökologischen Fußabdruck haben und schon alleine erstmal um die halbe Welt reisen müssen, um bei uns anzukommen”. Das mag zwar mit Sicherheit richtig sein, aber die absolute Mehrheit der Sojaproduktion findet zur Ernährung der Nutztiere statt. (Aber das war ja nicht “dein” Argument, sondern Fr. Fischer’s)
Als Veganer hab ich natürlich einen bisschen anderen Standpunkt in Sachen Imkerei als Nicht-Veganer. Aber ich bin immer gerne bereit mir gewisse Standpunkte und Argumente anzuhören/mich damit auseinander zu setzen und dein Artikel hat mir den Anstoß gegeben mich mit dem ganzen Thema ein bisschen ausgiebiger zu befassen. Vielen Dank dafür!!
Liebste Grüße
Sanny