Ich habe ein bisschen länger gebraucht als gewöhnlich, um über meine Erfahrungen in der Schwitzhütte zu schreiben. Eine Schwitzhütte aufzusuchen, ist ein sehr kraftvolles Ritual, das uns in den verschiedensten Lebenslagen hilft.
Ich habe mich ins Auto gesetzt, obwohl ich die ganze Woche schon auf Dienstreise war und bin hinein gefahren in die Tiroler Berge. Immer an diesem wilden Fluss, der Brandenberger Ache entlang, bis die Straße immer enger wurde und schmäler, schließlich in einen Feldweg mündete, fast bis zur Kaiserklamm.
Wenn es einen Ort gibt, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, dann hier – aber sicher gibt es in Tirol jede Menge solcher Orte. Jedenfalls bin ich ganz schön aufgeregt, ganz allein hier anzukommen, niemanden zu kennen und mit diesen wildfremden Menschen auch noch gemeinsam in eine Schwitzhütte zu gehen.
Ankommen in der Naturerlebnisschule Tirol
Plötzlich erinnerte ich mich an mein erstes Schwitzhüttenritual und daran, dass dort drinnen gesungen und geredet wurde. Plötzlich war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob das genau das richtige für mich war.
Ich setzte mich erst einmal hin und hörte Markus zu, dem Leiter der Naturerlebnisschule Tirol, kurz und treffend NEST. Gefunden hatte ich seinen Ort in der Wildnis, weil die Jungs einen Flyer aus der Schule heim gebracht hatten für ein Abenteuer-Camp in den Sommerferien. Solche Feriencamps für Kinder mit Bogenschießen, Wildwasserüberquerung, Übernachten im Tipi und Essen am Lagerfeuer organisieren Markus Treichl und seine liebe Frau Petra in ihrem wundervollen Platz. Viele Schulklassen, aber auch Gruppen von Erwachsenen erleben hier spannende Wildnistage.
An diesem Wochenende sind die Schlafplätze nicht voll besetzt und wir können uns ausbreiten, denn zur Schwitzhütten-Zeremonie kommen nur zwölf Teilnehmer. So hat jeder angenehm Platz in der Schwitzhütte. Dieses Ritual organisiert der leidenschaftliche Keltenkundige Markus jedes Jahr Ende April/Anfang Mai – je nach Vollmond – zu Beltaine und Ende Oktober/Anfang November zu Samhain. Die Frühlingszeremonie steht unter dem Zeichen des Neubeginns, die im Herbst unter dem Motto Loslassen.
Schlafen in Holzhäusern
Hier habe ich mir meinen Schlafplatz gefunden. Mitzubringen war neben einem warmen Schlafsack, Taschenlampe, Iso-Matte, Handtücher und7oder Tücher für die Schwitzhütte – man geht nicht nackt hinein.
Da ich ein bisschen bequem geworden bin, habe ich mir kurzerhand eine Schaumstoff-Matratze mitgebracht. Der Daunenschlafsack war auch wirklich nötig, denn in den Bergen ist es in der Nacht ganz schön frisch. Die Tipis verfügen aber auch über Öfen. Sanitäre Anlagen sind wie der Speisesaal im großen Bauernhaus. Das Wort Speisesaal trifft es nicht ganz, denn alles ist total liebevoll eingerichtet.
Loslassen und Neubeginn
Vor der Schwitzhütte war ich zu aufgeregt, um noch etwas zu essen, obwohl wir einen leckeren selbst gemachten Kuchen zu Tee und Kaffee angeboten bekamen. Gegen halb sechs gingen wir gemeinsam zur Ache hinunter. Was ihr da in meiner Tasche seht, ist mein Geschenk für die Flammen unseres großen Lagerfeuers. Diese Gabe ist mein Symbol für das, was ich zurücklassen wollte und nicht in meinen Neuanfang mitnehmen wollte.
Doch zuerst mussten wir jeder drei Steine am Fluss sammeln. Denn 36 Steine kommen nach keltischer Tradition zuerst ins Lagerfeuer und wenn sie heiß glühen bringt sie der Feuermann in die Schwitzhütte. Dort befindet sich eine Vertiefung in der Mitte, in die Runde für Runde die glühenden Steine kommen. Der Zeremonienmeister oder Leiter der Schwitzhütte begießt sie mit Wasser und räuchert duftende Kräuter.
Wir haben wunderschöne Steine zusammen getragen, von denen jeder eine Bedeutung hatte. Darunter waren Sonne und Mond, Mutter Erde und die Seele, Schöpfung und Spiritualität, Klarheit und Arbeit. Diese sind mir jetzt spontan wieder eingefallen. Bei jedem Stein zu dessen Bedeutung wir uns hingezogen fühlten, sollten wir näher treten und in berühren. Dieses schöne Ritual hat gleich eine Gemeinsamkeit zwischen den Teilnehmern hergestellt.
Hier zündet Markus das Feuer an und dann heißt es warten, bis die Steine glühen. In dieser Zeit bereiten wir uns auf die Schwitzhütte vor, indem wir über unsere Wünsche und Ziele nachdenken, mit denen wir hineingehen. In kleine Säckchen legen wir Tabak. Diese kommen mit in die Schwitzhütte und werden am nächsten Tag wieder eingesammelt in Markus Schatzkästchen. Vor der nächsten Schwitzhütte werden diese Wünsche dem Feuer übergeben, so wie wir die Wunschsäckchen der letzten Teilnehmer verbrennen, um auch diese noch einmal zu bekräftigen. Außerdem dürfen wir noch einen Wunsch für andere Menschen aufschreiben. Auch dieser wird dem Feuer übergeben.
Der Feuermann
Der Feuermann ist die Kontaktperson nach draußen, wenn wir dann erst einmal drin sind in der Schwitzhütte. Diese steht für den Schoss der Mutter Erde, aus dem die TeilnehmerInnen nach vier, fünf oder mehr Runden wieder geboren werden. Hier wird eine nicht exzessive Schwitzhütte praktiziert, aus der jeder rausgehen darf, wenn er das Bedürfnis hat. Es ist hier möglich, zwischen den Runden die Schwitzhütte zu verlassen oder eine Runde auszusetzen.
Zeremonie in der Schwitzhütte
Der Feuermann öffnet die Tür zwischen den Runden und gibt neue Steine herein. Einmal bringt er uns auch Wasser. Es ist beruhigend zu wissen, dass da jemand draußen ist, der aufpasst.
Was in der Schwitzhütte gesprochen wurde, ist geheim und darf nicht weiter erzählt werden, ahó! Der Redestab kreist und jeder äußerst seine Wünsche. Es tut so gut, laut auszusprechen, was man denkt, fühlt, befürchtet, erhofft, insgeheim wünscht. Schon allein deshalb ist dieses Ritual richtig und gut. Dazu muss niemand besonders spirituell sein, keltisch interessiert oder esoterisch veranlagt. Das Schwitzen und reden hat so etwas reinigendes an sich, dass ich am nächsten Morgen fast vergessen habe zu fotografieren.
Auch in der Nacht nach der Schwitzhüttenzeremonie habe ich da nicht mehr daran gedacht. Zuerst bin ich wirklich baden gegangen, nachdem ich der Enge der Schwitzhütte wieder entkommen war. Aber eigentlich wollte ich noch gar nicht heraus, mir hat es da drinnen nämlich sehr gut gefallen. Doch nachdem ich da zum Fluss getorkelt bin, war ich doch froh, dass der Leiter keine weitere Runde mehr gemacht hat, denn mir war ganz schön schwindlig. Das superkalte Gebirgsflusswasser hat mir erneute Klarheit gegeben, doch richtig wach wurde ich nicht mehr, weder konnte ich viel zum Gespräch beim gemeinsamen Abendessen noch hernach am Feuerplatz beitragen. Aber geschmeckt hat es und schön war’s.
Ein sehr schmackhaftes Frühstück gab es auch noch und eine Abschlusszeremonie am Morgen nach der Schwitzhütte. Ich kann Euch dieses Ritual nur wärmstens empfehlen und zwar genau an diesem Ort – vielleicht gehen wir ja Ende Oktober gemeinsam dorthin?
Mehr Wochenende in Bildern findet ihr bei Frau Mierau und mehr Grünzeug bei den Naturkindern.
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