Lebensmittelverschwendung: Krummes Gemüse

krummes Gemüse
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So genanntes krummes Gemüse und Ausschussware weist zum großen Teil lediglich optische Mängel auf. Sieht das Gemüse aus dem Garten überhaupt nicht genauso aus?
Viel Obst und Gemüse landet übrigens auch einfach im Müll, weil zuviel produziert wurde.

Insgesamt werden in Deutschland jährlich ca. 18 Mio. Tonnen Lebensmittel verschwendet. Das entspricht 450.000 LKW-Ladungen. „Dass zu viel des geernteten Obsts und Gemüses nicht auf unseren Tellern, sondern im Müll landet, ist ein Problem, das uns schmerzlich bewusst ist. sagt Alex Kiendl vom Ökoring aus Mammendorf. Der Bio-Großhandel mit regionalem Fokus bietet mit dem Projekt „EinzigArtig“ seit 2016 ein saisonales Angebot an individuell gewachsenen Früchten an. Das Angebot wird sehr gut angenommen.

„Vereinzelt gab es schon Irritationen, da das als „EinzigArtig“ deklarierte Gemüse nicht „krumm“ genug war. Für uns zeigt genau dieser Umstand deutlich das Problem der Normen: Obst und Gemüse, dass in Sachen Frische und Geschmack und auch im Blick des Händlers einwandfrei ist, wird aufgrund der Größe oder Form schon beim Produzenten aussortiert, obwohl es durchaus möglich wäre auch krumme, große, dicke, kleine… Ware zu verkaufen“, erklärt er.

 

feldschafft foodsavingWen stört krummes Gemüse?

Warum wird das dann bislang nicht flächendeckend getan? Bis 2009 regelte die „Gurkenverordnung“ der Europäischen Gemeinschaft u.a., dass eine Gurke der Handelsklasse „Extra“ auf zehn Zentimeter Länge maximal zehn Millimeter gekrümmt sein darf. Als interne Normung soll sie den wichtigsten Großhändlern noch heute dienen. Zunächst einmal wird ein praktisches Argument für dieses Aussortieren genannt: Krumme Gurken z.B. passen nicht so gut in die Gemüsekisten.

„Das ist definitiv so. Dennoch sehen wir uns moralisch verpflichtet, nach Mitteln und Wegen zu suchen, solche in der Qualität keineswegs verminderten Waren ebenso an den Kunden zu bringen“, führt Alex Kiendl aus. Nicht zu Unrecht werde immer wieder festgestellt, der Verbraucher würde keine krummen Gurken wollen. Auch da setzt die Initiative mit Infomaterial und Verkaufshilfen an: „Da es der Handel ist, der diese Normen auch ohne EU-Verordnung festlegt, wollen wir mit „EinzigArtig“ dieser Entwicklung entgegensteuern.“

Auch die Feldschafft in Innsbruck verarbeitet „krummes“ Gemüse in ihren Chutneys, Aufstrichen und fermentierten Gemüsesorten. Bei der Ausschussware handelt es sich zum Beispiel um Übergrößen, die der Handel nicht möchte, nicht gut ausgefärbte Paprika oder Gurken, die nicht gerade genug sind.

Das deutsche Start-up Querfeld geht gegen das Verschwenden von Lebensmitteln vor: Mithilfe einer digitalen Online-Plattform werden bereits Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung in Berlin und München, darunter Aramark, versorgt. Das zweitgrößte Catering-Unternehmen Deutschlands will künftig weitere Betriebsrestaurants anbinden.

 

Krummes Gemüse: Zu groß, zu klein, zu knubbelig

Heute verkauft Querfeld mehrere Tonnen Bio-Obst und Gemüse in der Woche. Zahlreiche Bio-Höfe konnten als Kooperationspartner*Innen gewonnen werden. Ein deutschlandweites Netzwerk an Logistiker*Innen beliefert wöchentlich Küchen von der Kita bis zum Betriebsrestaurant. Seit 2021 beliefert Querfeld auch Privathaushalte oder das Café um die Ecke.

Schätzungen zufolge bleibt fast ein Drittel einer Obst- und Gemüseproduktion auf dem Feld liegen, obwohl es sich qualitativ betrachtet um einwandfreie Ware handelt. „Des Aussehens wegen wird nicht normgerechtes Obst und Gemüse aussortiert und liegengelassen oder gar weggeworfen. Das Aussortieren nach Unter-/Übergröße, Vernarbung, Verformungen oder Hagelschäden führt zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Qualitativ handelt es sich um einwandfreie Ware, die entsorgt statt konsumiert wird“, erklärt Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).

krummes Gemüse

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Bereits seit mehreren Jahren beliefert Querfeld Kantinen, Caterer und Mensen, wobei die Bestellungen telefonisch oder per E-Mail liefen. Für seine Arbeit wurde Querfeld schon im Gründungsjahr 2016 mit dem „Bundespreis für Engagement gegen Lebensmittelverschwendung“ des Bundesernährungsministeriums ausgezeichnet. Davor war man bereits ein Jahr unter dem Namen Ugly Fruits aktiv.

„Querfeld will seine Arbeit durch die digitale Plattform professionalisieren und weitere Standorte gewinnen“, erklärt Frederic Goldkorn, Mitgründer des Start-Ups. „Den Denkanstoß lieferte der Film Taste the Waste von Valentin Thurm, der das enorme Ausmaß von Lebensmittelverschwendung aufzeigt. Zu dieser Zeit beschäftigten sich auch drei angehende Designer der heutige Kreativagentur Lauthals für ihre Diplomarbeit mit dem Thema. Sie entwickelten eine Kommunikationskampagne mit dem Ziel, krummes Obst und Gemüse salonfähig zu machen. Beim ersten gemeinsamen Treffen überlegten wir, wie man die Lebensmittelverschwendung unternehmerisch angehen könnte und damit der Grundstein für unser heutiges Geschäftsfeld gelegt.“

krummes Gemüse

Internationales Netzwerk für Bio-Landwirte

Ziel ist ein internationales Netzwerk. Damit können Bio-Landwirte aus Deutschland sowie perspektivisch auch in Frankreich, den Niederlanden, Italien, Österreich, Polen und Spanien ihre überschüssigen „queren“ Produkte in Echtzeit den Nachfragern anbieten. „Wir arbeiten mit regionalen Bio-Erzeugern zusammen, um Lieferwege kurz zu halten. Da aber in ganz Europa enorme Mengen an Ausschusswaren anfallen, beziehen wir auch Waren z. B. aus Spanien, die wir regional nicht bekämen“, erklärt der Gründer.

Durch bereits etablierte Netzwerke an Spediteuren sollen Bestellungen über die Plattform innerhalb von 48 Stunden (national) bzw. 72-96 Stunden (international) abgewickelt werden. Um Preisdumping entgegenzuwirken, sind Mindestpreise geplant. Eine Qualitätskontrolle erfolge durch Logistikdienstleister nach von Querfeld definierten Anforderungen. Diese beinhalteten etwa, dass die Ware sauber sowie frei von Schädlingen und Fäulnis sein müsse. Das Querfeld-Team schult „seine“ Logistiker. „Nur einwandfreie Ware, die unseren Kriterien entspricht, wird angenommen und an die Kunden weiterverkauft“, erklärt Frederic Goldkorn.

„Mit dem Thema können sich sehr viele Menschen identifizieren und es herrscht eine große Übereinstimmung, dass etwas dagegen getan werden muss“, sagt er. Auch Alexander Bonde lobt: „Das Vorhaben trägt zu nachhaltigerem und ressourcenschonenderem Konsum bei. Außerdem wird die Wertschätzung von Lebensmitteln und ihren Erzeugern bei gleichzeitig neuen Marktchancen gestärkt. So könnten bei steigender Nachfrage mit der Produktion von nicht normgerechtem Obst und Gemüse Ansätze einer ökologischeren Landwirtschaft gestärkt werden.“

krummes Gemüse

Krummes Gemüse für die Gemeinschaftsverpflegung

Je nach Besonderheit kann es vorkommen, dass die Waren kleiner als üblich sind und daher zum Beispiel ein höherer Schälaufwand entsteht. Es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein – Übergrößen – und damit weniger Arbeit bei der Verarbeitung. „Der größte Teil der angebotenen Ware weist nur optische Mängel auf wie Farbverläufe bei Paprika und Tomaten, kleine Schalenfehler bei Zucchini oder Gurke. Dazu kommt einwandfreie Ware aus Überproduktionen“, bestätigt Mathias Sarcander Küchendirektor Aramark im Haus der Munich RE.

Er bezieht 350-400 kg Gemüse pro Woche in Steigen – hauptsächlich Tomaten, Gurken und Paprika. Hinzu kommt Saisonware wie Kürbis, Rüben oder Kohl. In kleineren Mengen und nach Verfügbarkeit bestellt er ebenfalls Zwiebeln, Aubergine, Rettich, Blattsalat, Zitronen, Melonen, Karotten und Lauch. In Spitzenzeiten und je nach Menüplanung kann sich die wöchentliche Bestellmenge auf bis zu 800 kg erhöhen. Da in den Wochenangeboten von Querfeld genau beschrieben steht, um welche Fehler es sich handelt, kann er abwägen, in welchen Umfang er das Gemüse einsetzt.

Er berichtet: „Wir verarbeiten größtenteils Steigenware, daher bedeutet dies kein Mehraufwand. Natürlich kommt es vor, dass einzelne Chargen etwas aufwendiger zu verarbeiten sind. Da die Ware aber größtenteils günstiger ist als bei unserem Hauptlieferanten, gleicht sich das aus.“ Karotten oder Lauch werden z. B. für die Herstellung von Brühen und Saucen verwendet und die Frühkartoffeln mit Schale serviert. „Wenn unsere Gäste fragen, sage ich immer „es sieht aus, als käme es gerade aus dem Garten hinterm Haus“.  Er und sein Team legt Flyer und Infomaterial aus und steht für Rückfragen zur Verfügung. Die Rückmeldungen, so denn welche kommen, seien durchweg positiv.

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