Diese Frau habe ich vor 10 Jahren in einem Post-Master-Kurs für Interkulturelle Kommunikation an der Fachhochschule München getroffen und wie es mit den Nomaden öfters so ist: Der Kontakt blieb erhalten – und darüber freue ich mich sehr. Valérie ist mittlerweile weitergezogen und wie ihr hier gleich selbst lest, will sie wieder umziehen, wie ich höre ans Wasser? Wie schön Val, ich werde endlich zu Dir reisen, denn auch ich liebe und vermisse das Meer. Ich habe ja in den Bergen Wurzeln geschlagen und obwohl ich gerne eine Nomadin wäre, gehöre ich nicht zu den modernen Nomaden, die von Lieblingsplatz zu Lieblingsplatz ziehen. Wie diese fabelhafte Nomadenfamilie das macht, was und wie sie als moderne Nomaden arbeiten, verrät Valérie hier im Interview zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
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Wer bist Du?
Mein Name ist Valérie. Ich bin Kanadierin und seit 17 Jahren in Deutschland. Das Land ist zu meiner zweiten Heimat geworden; meine Kinder sind hier geboren und ich habe mein Leben hier aufgebaut. Seit ich Kinder habe schätze ich die Strukturen, die hier einfach gut funktionieren: schon mit einem Jahr waren unsere beiden Söhne in einer städtischen Kita bestens versorgt. In Kanada gibt es nicht so viele öffentliche Betreuungsplätze; oft geht fast ein ganzes Gehalt auf die Betreuung. Auch finde ich die Möglichkeit gut, dass Frauen und Männer sich hier die Elternzeit so aufteilen können, wie sie wollen. Mein Mann und ich haben uns die Zeit fast 50/50 geteilt. Seitdem ist die Rollenverteilung in unserer Familie sehr gut ausgeglichen.
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Woher kommst Du und wohin gehst Du?
Ich bin im Nordosten von Québec geboren und habe meine Kindheit am Meer verbracht. Mit 23 kam ich nach Hamburg und habe seitdem auch in Berlin und München zeitweise gewohnt. Seit sieben Jahren sind wir – ich, mein Mann und unsere zwei Jungs, 6 und fast 8 – in Stuttgart. So lang war ich noch nie an einem Ort und wir fangen jetzt an über einen Umzug nachzudenken. (Moderne Nomaden, eben!) Ich habe einfach eine sehr starke Sehnsucht nach Wasser. Hier in der Gegend sind nur Baggerseen – das zählt nicht!
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Warum und was arbeitest Du?
Ich bin freiberufliche Redenschreiberin, Redakteurin und Übersetzerin. Seit einiger Zeit schreibe ich auch nebenbei Kurzgeschichten und Essays und nehme an öffentlichen Lesungen teil. Das Schreiben war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Außerdem bin ich auch in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich unterwegs. Kurz gesagt: ich kann mir keine Festanstellung mehr vorstellen. Ich habe einfach zu viele Projekte!
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Was willst Du über Deine Familie sagen?
Mein Mann und ich waren schon immer moderne Nomaden: Wir haben uns in einer spanischen Sprachschule in Madrid kennengelernt und haben die ersten Monaten unserer Beziehung in einem alten VW-Bus in Italien verbracht. Nun haben unsere Kinder auch Reisefieber. Sie waren schon auf vier Kontinenten und das Reisen mit den beiden macht richtig Spaß – auch, wenn es mal anstrengend sein kann. Wir haben ziemlich oft Fernweh, sodass wir fast immer in den Ferien verreisen und zwischendrin auch Kurztrips machen. Wir hoffen, dass die Kinder dadurch zu neugierigen und weltoffenen Menschen werden.
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3 Dinge, die Dir am schwersten fallen, beim Wechseln zwischen den Welten!
Obwohl mir die Freiberuflichkeit sehr gut gefällt, sehne ich mich manchmal schon nach fest geregelten Arbeitszeiten. Als Freiberuflerin arbeite ich regelmäßig Abends oder am Wochenende, auch wenn nur für ein Paar Stunden. Richtig Feierabend habe ich selten. Hin und wieder habe ich das Gefühl, dass zu viel los ist und ich kann mich nicht ganz auf die Familie konzentrieren. Das ist aber teilweise auch eine Frage der Organisation. Ich habe mittlerweile angefangen, Aufträge zu outsourcen wenn mir alles über dem Kopf wächst. Das tut uns allen gut.
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3 Dinge, warum Du nicht tauschen wollen würdest!
Eigentlich habe ich nur eine Sache, aber sie ist mir sehr wichtig: die Freiheit! Ich kann überall auf der Welt arbeiten und nutze diese Möglichkeit so oft es geht. Vor kurzem war ich mit den Kindern bei meinen Eltern in Kanada. Wir sind ziemlich spontan losgeflogen. Ich musste niemanden fragen und konnte die Familienreise mit Arbeit sehr gut kombinieren. Tagsüber war ich mit den Kindern Eishockey spielen, Skifahren, oder Langlaufen; Abends habe ich an einer großen Übersetzung gearbeitet. Das ist echt ein Luxus, und ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Beruf diese Selbstbestimmung ermöglicht.
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Was liegt Dir besonders am Herzen?
Dass die Diskussion zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf intensiv weitergeführt wird. Zwar hat sich in Deutschland in den letzten Jahren sehr viel getan, aber Frauen tragen immer noch viel zu oft fast die alleinige Verantwortung für Haushalt und Familie. Hier müssen sich die gesellschaftliche Einstellung und Arbeitskultur noch weiterentwickeln. Es muss zur Normalität werden, dass Papas auch unterschiedliche Arbeitsmodelle im Anspruch nehmen können und dürfen. Letztendlich können im digitalen Alter viele Aufgaben flexibel erledigt werden!
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