Gerit Sonntag verlegt mit dem Magas Verlag seit 2021 Bücher für Frauen und Mädchen, genauer gesagt Bücher, die Frauen stärken, stark machen, empowern.
Wie und wann bist Du auf die Idee gekommen, mit einem eigenen Verlag Bücher für Frauen herauszugeben?
Dr. Katharina Hartmann von Mother Hood hat von tollen englischsprachigen Büchern geschwärmt, die dringend mal ins Deutsche übersetzt werden sollten. Leider kann das ein gemeinnütziger Verein wie Mother Hood nicht bewerkstelligen. Was uns vor allem immer wieder umgetrieben hat, ist, dass so viele Frauen auf dem Rücken liegend gebären (müssen). Das wird ja in allen Medien auch immer so dargestellt, als sei das die einzig richtige Position. Medizinisch und mechanisch ist das aber absoluter Blödsinn. Durch Zufall bekam Sylvia Reischert (auch Mother Hood) ein Buch in die Hände, in dem sehr einleuchtend und für jedermann verständlich erklärt wurde, warum die aufrechte Gebärhaltung die einzig vernünftige ist. Sylvia hatte die Idee, dass dieses Buch unbedingt wieder in Umlauf gebracht werden müsse und hat kurzerhand die 86jährige Autorin in der Schweiz angerufen. Letztes Jahr konnten wir sie besuchen und mit ihr sprechen, sie war ganz begeistert von dem neuen Interesse an ihrer Arbeit. Auch eine Regisseurin hatte überlegt, ob sie das Leben der Autorin verfilmen sollte. Letzten Dezember ist sie dann gestorben. Da ich die Rechte an diesem bedeutenden Buch quasi geschenkt bekommen habe, musste ich dann „nur noch“ einen Verlag gründen.
Welchen Herausforderungen bist Du begegnet?
Viele, die begeistert von meinem Vorhaben waren und für den Verein sehr viel ehrenamtlich geleistet hatten, waren nicht bereit, für einen Verlag ehrenamtlich zu arbeiten. Einerseits verstehe ich das, andererseits geht es mir ja nicht darum, Geld zu verdienen, sondern die Idee, Frauen zu stärken, steht nach wie vor im Vordergrund. Außerdem hatte ich unterschätzt, wieviel Arbeit in so einem Buch steckt, da arbeiten schon mehr Leute dran als ich seinerzeit an meiner Doktorarbeit.
Warum liegt Dir das Thema Menstruation so am Herzen?
Ich hab so ungefähr mit 45 Jahren angefangen, immer öfter mit meinem Mann zu streiten. Er sagte dann oft: „Na, kriegste wieder deine Tage?“ Das hat mich jedes Mal auf die Palme gebracht. Aber er hatte recht: Am nächsten Tag fing ich an zu bluten und der Streit von gestern war plötzlich unwichtig geworden. Ich habe dann meine Gynäkologin direkt gefragt: Kann das an der Menopause liegen? Sie war aber der Meinung, solange man noch regelmäßig blutet, ist man noch nicht in den Wechseljahren. Hätte ich damals gewusst, wie falsch sie damit lag, hätte ich mir einiges an Eheproblemen ersparen können.
Warum ist das noch immer so ein Tabuthema?
Weil Männer es nicht haben. Weil die Menstruation eigentlich etwas ist, das den Frauen ihre Kraft zeigt, sie unterstützt und leitet. Und weil wir leider immer noch im Patriachat leben, wird den Frauen eingeredet, ihre Blutung sei schmutzig.
Es gibt ja inzwischen viele Aktivistinnen, die uns vom Gegenteil überzeugen wollen. Aber sie kommen einfach nicht gegen die tief verwurzelten patriarchalen Strukturen an, die viele Frauen schon internalisiert haben. Schließlich heißt es ja schon in der Bibel, dass die Lust der Frau die Erbsünde ist. Was für ein Blödsinn.
Gehen wir geschichtlich weiter zurück, finden wir viele sinnesfrohe Frauen oder Göttinnen, die den Menschen das zyklische Leben im Einklang mit der Natur beigebracht haben. Die patriarchale Kirche mit ihrem „macht Euch die Natur untertan“ ist der Grund, warum wir kurz vor der Zerstörung unseres Planeten stehen. Kennst du das Buch „Das Schwarzmond-Tabu“ von Jutta Voss? Die evangelische Theologin wurde für dieses Buch exordiniert, weil sie gewagt hatte anzumerken, dass nur das weibliche Blut göttlich ist und Leben schafft, während das männliche Blut immer aus Kampf und Krieg resultiert. Ihr wurde 1993 von der Kirche ihre komplette Lebensgrundlage genommen, weil sie die Hierarchie nicht anerkennen, sondern wissenschaftlich diskutieren wollte. 1993!
Wie hat Dich Deine Zeit bei Mother Hood geprägt?
Es war unglaublich schön mit Frauen aus unterschiedlichen Berufen/Hintergründen für eine gemeinsame Sache zu kämpfen. Ich habe die Regionalgruppe Bonn und Umgebung koordiniert und konnte immer wieder Frauen begeistern, mitzumachen. Weil es einfach Spaß macht, sich für die richtige Sache zu engagieren.
Warum kämpfst Du für den Erhalt des Hebammen-Berufs?
Ich finde die Frage komisch: wie kann man denn NICHT für den Erhalt des Hebammen-Berufs kämpfen? Nicht die Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt, sondern der Hebammenberuf ist der älteste. Der Beruf ist der Inbegriff von Frauen, die andere Frauen unterstützen. Warum man das zugrunde richtet, kann doch nur einen einzigen Grund haben. Lest hier mehr über den anhaltenden Hebammenmangel.
Ok, ganz persönlich: Ich habe mir die Hebammen ausgesucht, mit denen ich meine Kinder bekommen wollte (und habe). Und ich dachte, das sei das Normalste der Welt. Inzwischen weiß ich, dass wir das Ruder gehörig rumreißen müssen, wenn meine Tochter bei ihrer Geburt in denselben Genuss von individueller Unterstützung kommen soll.
Wie können wir Frauen uns gegenseitig unterstützen und stärken?
Viele (erfolgreiche) Frauen werden als „schwierig“ dargestellt, das hat mich immer geärgert. Natürlich werden Frauen, die immer mansplaining ertragen müssen, die immer den mental load alleine tragen, die immer für andere da sein wollen, denen vorgegaukelt wird, sie könnten alles schaffen, wenn sie sich nur selbst optimieren, natürlich werden diese Frauen irgendwann „schwierig“. Aber wir sollten uns doch daran erinnern, dass alle Frauen ähnliche Erfahrungen machen, auch wenn sie ganz unterschiedlich damit umgehen.
Ich mag das Zitat von Madeleine Albright: „Es gibt in der Hölle einen besonderen Platz für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen.“
Es tut einfach so gut, wenn Frauen sich gegenseitig helfen. Der von mir gewählte Weg sind jetzt die Bücher, die ich verlege, um Frauen Wissen an die Hand zu geben, Wissen über ihren Körper und darüber, dass der weibliche Körper mehr ist als die über Jahrtausende männlich geprägte Medizin uns glauben machen will.
Hast Du einen Bestseller? Erzähl uns davon!
Es ist mir ein bisschen peinlich! Das Buch, dass ich heimlich für mich mit „das wird ein Bestseller“ markiert habe, stammt von einem Mann. Ich habe mich da ganz von meiner Intuition leiten lassen. (Was für mich als Kopfmensch an sich schon eine Herausforderung ist.) Und ich habe der Übersetzerin vertraut, die einen Roman über fünf Frauen aus dem Brasilianischen übersetzt hat. Es geht um die Macht der sozialen Medien, um Frauenfreundschaften, ums Erwachsenwerden, um Sex und es ist ein Road Movie. Vielleicht wird der Roman irgendwann verfilmt, in Brasilien hat man ein Theaterstück daraus gemacht. „Fünf Julias“ ist zwar ein Jugendbuch, aber Uschi Madeisky hat mich angerufen und gesagt, das Buch sei doch eher für ihr Alter. Sie habe die Lektüre sehr genossen. Mir ist vor allem wichtig, dass es nur weibliche Hauptdarstellerinnen gibt. Ich finde es ganz fürchterlich, dass die meisten Bücher, die meine Kinder in der Schule lesen, immer nur männliche Protagonisten haben.
Wie wählst Du Bücher für Frauen und Produtke für Deinen Verlag aus bzw. worauf legst Du den Fokus im Verlagsprogramm?
Naja, das Programm ist relativ klar beschrieben mit den Themen Menstruation, Geburt, Menopause und weiblicher Sex. Also alles was den weiblichen Körper betrifft. Und ich möchte Frauen stärken. Meine Bücher für Frauen sollen alle eine Richtung aufweisen, wie man die bestehenden Strukturen für Frauen verbessern kann.
Neben Bücher für Frauen gibt es übrigens wunderschöne Anhänger mit dem Baum des Lebens. Auch ein Maubeschau Malbuch mit Menstruationskalender und hübsche Klitoris Art sind feine Besonderheiten. Schaut einfach mal in den Shop.
Gibt es etwas, worauf Du uns noch aufmerksam machen möchtest?
Tja, also, der Verlag ist ja nun mein „Hobby“, hauptberuflich ernähre ich meine Familie mit einem Verwaltungsjob. Mit dem Crowdfunding Ende 2021 und den diversen Krediten, die ich 2022 aufgenommen habe, werde ich die 10 Projekte, die ich mir für 2022 vorgenommen habe, gerade so eben realisieren können. Für 2023 habe ich aber auch schon ein paar gute Ideen, aber dann leider kein Geld mehr. Wenn also jemand eine Stiftung, eine Mäzenin oder einen Verein kennt, die oder der den Verlag unterstützen möchte, her damit.
Was planst Du als nächstes?
Nach der Veröffentlichung von fünf Büchern muss ich es jetzt schaffen, in die Barsortimente zu kommen. Das ist nicht einfach, aber viele Buchhandlungen bestellen nur darüber. Die oben angesprochene Neuauflage von „Die Gebärhaltung der Frau“ ist kurz vor der Fertigstellung. Fertig übersetzt sind bereits „Gebären wie eine Feministin“ und „Zurück zur Geburt als Übergangritus“. Diese Bücher für Frauen revolutionieren unser Bild von Geburt.
Und schließlich noch ein Buch für das Hebammenstudium: „Geburt von der Stange?“ und kurz vor Weihnachten sollen die Seelenkarten fertig werden. Wenn das alles klappt, dann steigt am 11. Februar 2023 in Bonn die großen Verlagsparty. Es sind alle eingeladen, die zum Erscheinen der Bücher in irgendeiner Weise beigetragen haben.
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